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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s

– ein unnennbares, eine, so eine – er suchte und suchte nach einem wörtlichen Ausdruck für das Gedachte und endlich sprach er ihn laut aus: „Verstorbenheit.“

„Ver-stor-ben-heit?“ wiederholte Daja fragend, und ihre Verwunderung dehnte das Wort.

„Ja,“ nickte Andex traumtrunken, „Verstorbenheit“.

Und plötzlich erhob er sich energisch mit dem Ruf: „Aber Daja, was treibst du? Wir müssen nach Hause, marsch! Mutti wird schelten.“


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Daja sprang, und es glückte. Unten betrachtete sie, was es gekostet hatte, mit einer Miene, die Trotz und banges Gewissen schillerte. Da war der Daumen vom Blech der Dachrinne geritzt. „Ph!“ meinten die Lippen gleichmütig und dann wuschen sie dem Finger das Blut ab. Ernster dagegen mahnten die Flecken in dem roten Batistkleid, welche gar zu ausführlich eine Rutschpartie über Teerpappe beschrieben. Flüchtig betastete Daja die braunen starkriechenden Kleckse mit einer rührend schmutzigen Patschhand, drehte sich alsdann freiheitsleicht auf dem Absatz herum und wanderte. Wanderte unverkennbar absichtlich eine durchaus ungerade und unbequeme Linie, welche anfangs breite Pfützen teilte, wo jeder Schritt einen vergnüglichen fächerartigen Wasserschwall

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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)