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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s

erröteten. Ihre Exzellenz erwiderte sehr vernehmlich: „Artig sind sie freilich, und es kommt davon, daß wir uns nie in die Erziehungsmethode unseres Hauslehrers, beziehungsweise unserer Mademoiselle einmischen.“

Herr und Frau Scholz er-violetteten.

„Aber so langen Sie doch bitte zu, Frau Stadträtin,“ ermunterte Ihre Exzellenz und winkte einer Livree, den letzten Gang, gefüllten Kapaun, nochmals zu präsentieren. „Bei uns darf niemand hungrig von Tisch aufstehen, n’est-ce pas mon cher?“

Seine Exzellenz küßte die weiße, brillantüberfunkelte Hand von Ihrer Exzellenz. Ihre Exzellenz bog ihren anmutigen Nacken so, daß sie just noch das Ehepaar Scholz im Auge behielt und scherzte leichthin: „Ja, bei uns geht es immer friedlich zu, wir streiten uns nie.“

Beifällige Meinungen umflüsterten die Tafel. Einiges, wie „anmutiger Nacken“, „liebenswürdige Gesinnung“, „General, welch aristokratische –“ wurde verständlich.

Stadtrat und Stadträtin wollten sich grimmig auf Ihre Exzellenz stürzen, um sie zu erwürgen, wurden aber von den Livreen gepackt und lautlos aus dem Saal geführt.

Und alles verurteilte aufgebracht die ordinären Störenfriede, welche Frau Generalin hochherzig als Leute entschuldigte, denen krankhafte Phantasie die Köpfe verwirrt hätte. Und alles pries enthusiastisch Ihre und Seine Exzellenz. –


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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)