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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Kreuzzüge, die Mongolenflut, die Entdeckungs- und Eroberungsfahrten der Portugiesen, Spanier, Holländer, Franzosen und Engländer, weiterhin durch den Gegenstoss des Orients unter Sulaiman, den Sefawi, Mongulen, Mandschu und Tokugawa, endlich durch das unaufhaltsame Vordringen der Europäer und Amerikaner seit Napoleon bezeichnet. Den Brennpunkt westöstlicher Kämpfe in der Gegenwart stellt der Boxerkrieg dar. Seitdem hat sich abermals die Herrschaft der Weissen auf Kosten des Ostens erweitert. Zwar wurde das 1904 eroberte Tibet von den Engländern wieder aufgegeben; dafür wird Persien unter Briten und Russen aufgeteilt, Marokko fällt an Frankreich, Tripolis an Italien, die Nordmandschurei an Russland und es beginnt die Zerbröckelung Chinas und der Zerfall der Türkei. Persien wird zwischen Russland und England aufgeteilt. Damit ist der Gesamtorient in eine starke und akute Krisis eingetreten, wie er sie in dem Verlauf der Jahrtausende noch nie in gleicher Heftigkeit und Ausdehnung erlebt hat.

Von Afrika besassen die Europäer gegen 1800 nur ungefähr 1/60 von Asien dagegen, die Sundainseln mitgerechnet, etwa 1/9. Seitdem ist der schwarze Erdteil so ziemlich ganz, mit Ausnahme Abessiniens und Liberias, in die Hände der Europäer übergegangen und von Asien, die Inseln immer mitgerechnet, haben die Weissen über dreiviertel besetzt. Erfolgreich widerstrebt eigentlich nur Japan.

Die Hauptdaten in der Erschliessung des afrikanischen Orients sind die Eroberung Algeriens durch die Franzosen 1830, die Besetzung der Fulbeländer durch eben dieselben in den 50er Jahren, die Gründung des Kongostaates 1879/85, die Eroberung von Tunis 1881, die englische Festsetzung in Ägypten 1882, die britische Herrschaft in Rhodesien seit 1887/9, die italienischen Versuche in Abessinien, das deutsche Kolonialreich 1884–85, die britische Bezwingung des Ost-Sudans seit 1896, die Einverleibung Marokkos durch Frankreich seit 1900/1907, endlich der Handstreich auf Tripolis. In Asien gehen die heutigen Entwürfe der Europäer bis ins 15. Jahrhundert zurück. Nämlich bis zur Fahrt Vasco da Gamas und zu dem ersten Vordringen der Russen in Sibirien. Portugiesen und Spanier fassten in Südasien Fuss. Weitere Epoche machte die Befestigung der russischen Herrschaft in Nordasien seit 1590 und die Niederlassung der Holländer auf den Sundainseln seit 1619. In der Napoleonischen Zeit errangen die Engländer die Vorherrschaft über Indien. Seit derselben Zeit kann man von französischen Interessen in Indochina reden. Die bewusste und erfolgreiche Erschliessung Ostasiens beginnt 1839; mit dieser Tatsache wollen auch wir hier einsetzen.

Ostasien hatte sich gegen die Weissen hermetisch abgeschlossen. Es war das einfach Notwehr gegenüber den Angriffsabsichten der Europäer. Weder Mandschu noch Tokugawa waren an sich fremdenfeindlich, aber sie glaubten einzusehen, dass ihren Ländern durch völlige Absperrung gegen aussen am besten gedient wäre. Am heftigsten war der Hass gegen die Fremden bei der japanischen Regierung. Selbst ein Sohn des Landes wurde von diesem Hass verfolgt, denn er durfte, wenn er auch nur durch einen Sturm ins Ausland verschlagen war, in die Heimat nicht zurückkehren oder wurde, tat er es dennoch, hingerichtet. Seit 1637 war die Absperrung in Japan vollkommen durchgeführt. Korea und die Ljukju schlossen sich diesem Vorgange an. In China konnte man schon der Lage des Reiches halber die Abschliessung nicht ganz so verwirklichen, wie bei den nordöstlichen Nachbarn. Und ein Handel der Chinesen mit Hinterindien und Inselasien, sowie mit Mexiko hat eigentlich nie völlig aufgehört. Nur eins wollte man auch in China nicht erlauben, die Niederlassung von fremden Kaufleuten oder Gesandten auf dem Boden des indischen Reiches. Der Opiumkrieg des Jahres 1839/40 legte endlich Bresche in die ostasiatische Welt. Der Anlass dazu war nichts weniger als rühmlich. Von Indien, namentlich von der Gegend des mittleren Ganges aus, wurden ungeheure Mengen von Opium nach China ausgeführt. Die britische Regierung hatte davon einen jährlichen Nutzen, der manchmal bis auf 600 Millionen Mark stieg. Nun wollten die Chinesen sich entweder nicht weiter verseuchen lassen oder aber sie wollten selbst den Gewinn von dem Anbau und Verkauf des Opiums ernten und verboten deshalb die Einfuhr der indischen Frucht. Die Engländer aber sandten mehrere Kriegsschiffe vor Kanton, bombardierten die Stadt und zwangen das Reich der Mitte zu einem Vertrag, der nicht nur die Opiumeinfuhr aus Indien wiederherstellte, sondern auch 3 chinesische Häfen für die Europäer öffnete.

Im Jahre 1853 begannen die Russen, sich der Amurländer zu bemächtigen, und der nordamerikanische Admiral Perry erschien vor Jokohama, um einen Handelsvertrag mit den Vereinigten

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/378&oldid=- (Version vom 21.11.2023)