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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Offizier erwachsen ihm vielfach Standesschwierigkeiten, die unter allen Umständen energisch zu beheben sind, denn niemals können die Aerzte des Beurlaubtenstandes im Kriege ein vollgiltiger Ersatz sein.

Ferner gibt es ein Veterinär-Offizierkorps (810 Köpfe), das hauptsächlich für die berittenen Waffen und die Verkehrstruppen gebildet ist. Es steht unter der vom A. K. D. ressortierenden Militär-Veterinär-Inspektion und wird auf der Militär-Veterinär-Akademie (unter einem General-Veterinär als Direktor) herangebildet.

Für rein technische Zwecke sind aus dem Unteroffizierkorps hervorgehende Zeug- und Feuerwerksoffiziere (bei der Artillerie und ihren Anstalten) und Festungsbauoffiziere (beim Ingenieurkorps bzw. den Fortifikationen) vorhanden. Die sich teilweise aus dem aktiven Offizierkorps ergänzende ungemein wichtige Intendantur ist reformbedürftig. Sie ressortiert vom Kriegsministerium wie von den Truppenbefehlshabern und den militärischen Instituten.[1]

Das Militärkirchenwesen (mit der dem Kriegsministerium unterstellten evangelischen und katholischen Feldpropstei an der Spitze) bedarf der einheitlichen Regelung, es herrscht jetzt Zersplitterung.

Das Reichsmilitärgericht (Budget 1912: 534 819 M.), mit einem General, der zugleich Bevollmächtigter zum Bundesrat ist, als Präsidenten, besteht aus 3 Senaten (davon ein bayerischer) und ausseretatsmässigen militärischen Mitgliedern sowie der Militär-Anwaltschaft.[2] Das Militärstrafgesetzbuch entspricht nicht mehr den Zeitverhältnissen, sondern noch den Anschauungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und muss nach Inhalt und Ausdruck vereinfacht werden, besonders aber ist der Abschnitt „Strafen“ gründlich zu ändern. Die Justiz- und Gerichtsorganisation hat sich dagegen im allgemeinen bewährt (Kriegsgerichtsräte als rechtsgelehrte Richter). Die militärischen Strafanstalten stehen unter einer Inspektion.

Für das Bekleidungswesen befinden sich bei den Armeekorps militärische Bekleidungsämter, das Rechnungswesen bei den Truppen besorgen Ober-, Zahl- und Unterzahlmeister (1593).

Die Landgendarmerie steht unter einem General als Chef und ihr Offizierkorps ergänzt sich aus der Armee. Es haben nur pensionierte halbinvalide Offiziere Aussicht auf Anstellung als Brigadiers oder Distrikts-Offiziere, bzw. Adjutanten.

e) Pferdebeschaffung (Remontewesen).

Sie liegt in den Händen der von der Remonte-Inspektion des Kr.-Min. abhängenden Remontekommissionen und Pferdevormusterungskommissare und erfolgt mittels Ankaufs beim Züchter und Händler. Es werden jährlich dafür etwa 20 Millionen M. ausgegeben und 60 Millionen für Hafer, Heu und Stroh. 1912 wurden z. B. in Preussen von 23 605 vorgestellten Pferden 11 244, d. h. 48 v. H., in Sachsen von 1735 gar 1328 (76 v. H.), für das ganze Reich 15 103 zum Durchschnittspreis von 1065 M. für die Remonte (Dienst-, Chargen- und Krümperpferde) eingestellt. Für die minderjährigen Pferde gibt es 26 Remontedepots unter Administration.

Die Landespferdezucht steht auf der Höhe, besonders die Edelzucht des warmblütigen Kavalleriepferdes, das mit geringer Ausnahme Ostpreussen und Hannover liefert. Aber auch die (übrigens empfindliche) Kaltblutzucht (für Zugpferde, besonders der schweren Artillerie des Feldheeres) dringt vor, namentlich in den Rheinlanden, Schleswig und Oldenburg. 4 350 000 Pferde, Esel und Maultiere decken reichlich den Kriegsbedarf an Reit-, Zug- und Tragtieren, der Friedensetat beläuft sich auf etwa 157 000 Dienstpferde.

d) Ergänzung und Beschaffung von Kriegsmaterial.[3]

Sie erfolgt teils von staatlichen Betrieben (Artillerie-Werkstätten, Geschützgiesserei, Geschossfabriken, Feuerwerkslaboratorien, Pulverfabriken usw.), teils und sehr wesentlich durch die Privatindustrie (Krupp, Ehrhardt, A. E. G., Siemens-Schuckert, die grossen Automobilfirmen, Luftfahrzeugfabriken usw.). Eine grosse Rolle spielt schon heute – mit wachsender Tendenz – das Kraftfahrzeug im Heeresdienst. Der Kriegsbedarf von etwa 1000 Armeelastzügen zum Fortschaffen der Verpflegung, der Munition usw. für etwa 30 Armeekorps ist durch ein vorbildliches „Subventionssystem“, das die Einbürgerung von kriegsbrauchbaren und stets auf der Höhe der Zeit stehenden Kraftfahrzeugen, besonders von Lastwagen, im bürgerlichen Leben der Armee sichert, ohne sie zur Beschaffung zu zwingen und so der Gefahr des Veraltens der Wagen auszusetzen, reichlich gedeckt.[4] Ebenso gibt es leistungsfähige Luftfahrzeugwerften: die Armee besitzt heute


  1. Ihr sind die Vorstände der Proviantämter und Armee-Konservenfabriken, der Militär-Bauämter und Garnison-Verwaltungen unterstellt.
  2. 1910 wurden im Militärgerichtsverfahren 14 822 Mann angeklagt, 12 917 verurteilt, 1735 freigesprochen, bei 170 das Verfahren eingestellt. Die Zahl der Soldatenmisshandlungen ist in steter Abnahme begriffen. Die rechtliche Stellung der Militärpersonen zu den bürgerlichen Gerichten ist geregelt.
  3. Hierbei wäre unserer Heeresverwaltung mehr kaufmännischer Geist zu wünschen, der erhebliche Ersparnisse zu machen gestattet und jedes geschäftlich unkluge Monopol vermeidet, die eigenen Staatsbetriebe vermehrt und verstärkt. Eine auf Veranlassung des Reichstages zusammengetretene Rüstungskommission soll entsprechende Vorschläge machen, und dürfte schliesslich eine besondere wirtschaftliche Gesetzgebung bezüglich des Heereslieferungs- und Ausrüstungswesens das Endergebnis werden. Auch muss jedem Monopol in der Herstellung der Druckwerke (Vorschriften, Reglements und sonstigen Militärliteratur amtlichen Charakters) entgegengetreten werden.
  4. Am 1. I. 13 gab es in Deutschland 77 789 Kraftfahrzeuge, davon 70 085 oder 91 v. H. Personen- und 7704 oder 9,0 v. H. Lastkraftwagen, und in etwa 60 Fabriken wurden 16 000 Fahrzeuge im Wert von 115 Mill. M. hergestellt. Den Löwenanteil am Gebrauch des Kraftzuges haben Sport und Privatpersonen (über die Hälfte), demnächst das Handelsgewerbe. Nur 1/10 der Autos stehen im Dienst öffentlicher Behörden (wie Heer, Marine, Post usw.).
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/310&oldid=- (Version vom 11.12.2021)