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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

dürfen Hausarbeit nur für solche Werkstätten ausgeben, die den erforderlichen Ausweis ihrer Eignung für Hausarbeit, soweit er vorgeschrieben, besitzen.

8. In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie können Hausarbeitgeber und Zwischenmeister verpflichtet werden, sich periodisch, mindestens halbjährlich, selbst oder durch Beauftragte davon zu unterrichten, dass die Arbeitsstätten und der Betrieb darin den gesetzlichen Ansprüchen genügen.

In den Fällen 6 und 8 ergangene Durchführungsvorschriften können polizeilicherseits auf Betriebe ausgedehnt werden, die „gewerbliche“ (nicht Haus-) Arbeiter beschäftigen.

9. Endlich hat der Gedanke der Arbeitskammern hier wenigstens einen Ansatz gefunden, sofern der Bundesrat für bestimmte Gewerbezweige und Gebiete, in denen Hausarbeiter beschäftigt werden, die Errichtung von Fachausschüssen beschliessen kann. Deren Aufgabe soll sein: a) Unterstützung der Staats- und Gemeindebehörden durch Mitteilungen und Gutachten. Mitwirkung und Begutachtung bei deren Erhebungen über die gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Gewerbe, besonders über die Ausführung dieses Gesetzes und die Verkehrssitte bei Auslegung und Erfüllung von Arbeitsverträgen, b) Beratung von Wünschen und Anträgen, die derartige Verhältnisse betreffen, c) Anregung von Veranstaltungen und Massnahmen zur Hebung der wirtschaftlichen Lage und Wohlfahrt der Hausarbeiter, Mitwirkung an der Verwaltung der dafür getroffenen Einrichtungen, d) Beihilfe zur Ermittlung der Höhe der bestehenden Hausarbeitslöhne, Begutachtung ihrer Angemessenheit, Vorschläge betreffs angemessener Arbeitsentgelte, e) Förderung des Abschlusses von Lohn- und Tarifverträgen. Die Fachausschüsse sollen nur über den Bereich des Einzelbezirks hinausgehende Angelegenheiten ins Auge fassen und paritätisch zusammengesetzt sein. Hausarbeiterinnen müssen, wo sie in grösserer Zahl beschäftigt werden, angemessen vertreten sein. Den neutralen Vorsitzenden, die beiden Beisitzer und nach Anhörung beider Teile je die Hälfte ihrer Vertreter ernennt die Landeszentralbehörde, die andere wird mit Stimmenmehrheit auf beiden Seiten je von diesen ernannten Vertretern gewählt. Bei Erstattung von Gutachten muss auf beiden Seiten die gleiche Zahl Vertreter beteiligt sein. Es wird gesondert abgestimmt. Nehmen beide Teile einen entgegengesetzten Standpunkt ein, so wird das Gutachten nicht erstattet. Jeder Teil kann dann ein Sondervotum abgeben. Dasselbe Recht hat, wenn ein gültiger Beschluss zustandekommt, stets die Minderheit. Strafmittel des Gesetzes sind Geldstrafe und bei gewohnheitsmässigem Zuwiderhandeln gegen das Verbot der Beschäftigung eigener oder fremder Kinder daneben auch ersterenfalls Haft, letzterenfalls Gefängnis bis zu 6 Monaten.

Was den sachlichen Geltungsbereich des Tit. VII anlangt, so umfasst er zunächst die Fabriken, weil in ihnen das Schutzbedürfnis am grössten ist. Ihnen wurden gleichgestellt in bezug auf wichtige, wenn auch verschieden zugemessene Teile des Arbeiterschutzes: alle Werkstätten mit regelmässigem Motorbetrieb, Hüttenwerke, Zimmerplätze u. a. Bauhöfe, Werften, Ziegeleien und über Tage betriebenen Brüche und Gruben sowie die Werkstätten der Tabakindustrie. Die in der Natur der Betriebe liegenden Schwierigkeiten, die Fabrik begrifflich vom Handwerk abzugrenzen, sind grossenteils dadurch hinfällig geworden, dass die Novelle von 1908 alle diejenigen Schutzvorschriften, welche bis dahin speziell für Arbeiter in Fabriken und fabrikmässigen Betrieben galten, mit Ausnahme derjenigen über die Arbeitsordnung ausgedehnt hat auf die Arbeiter (nicht auch höheren Angestellten) in allen Gewerbebetrieben, die in der Regel mindestens 10 Arbeiter beschäftigen. Damit sind grosse Teile der im Handwerk beschäftigten Arbeiter dieses Schutzes teilhaftig geworden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen. Innerhalb dieser Vorschriften regelt ein engerer Kreis ausschliesslich für Betriebe mit mindestens 20 Arbeitern die Lohnverwirkungen bei Vertragsbruch, die Arbeitsordnungen und die Arbeiterausschüsse. Die Verhältnisse der Gesellen und Gehilfen im Handwerk ordnet im übrigen ein besonderer Abschnitt. Für die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen sind durch die Novelle von 1900 besondere Schutzvorschriften eingefügt. Die Verhältnisse der höheren Angestellten sind ebenso wie die der Lehrlinge in Handwerk und Industrie in je einem besonderen Abschnitt geordnet.

Die Schutzvorschriften der G.O. gelten teils für alle gewerblichen Arbeiter (I), teils für deren besonders schutzbedürftigen Kreise: Kinder, Jugendliche, Frauen (II). Aus ihrem äusserst detaillierten Inhalte kann hier nur das Wesentlichste wiedergegeben werden.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/28&oldid=- (Version vom 5.11.2021)