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2. Das Verfahren zur Bekämpfung der Seuchen im Inlande entspricht im wesentlichen dem (oben unter I) erwähnten. Durch Gesetz sind die Seuchen bestimmt, für die eine Anzeigepflicht besteht, es sind dies u. a. Milzbrand, Tollwut, Rotz, Maul- und Klauenseuche, Lungenseuche des Rindviehs. Die Anzeigepflicht kann auf andere Seuchen ausgedehnt werden. Die Ermittelung der Seuche erfolgt durch den beamteten Tierarzt, der verdächtige Tiere einsperren und absondern lässt, sie impft, Blutproben entnimmt oder, wenn es ihm nötig erscheint, die Tiere tötet und zerlegt, um das Vorhandensein der Seuche feststellen zu können.[1] An Schutzmassregeln sind allgemeine gegen die Seuchengefahr überhaupt und solche gegen besondere Seuchen zu treffen. Im wesentlichen handelt es sich auch hier um eine Einschränkung des Verkehrs. Von allgemeinen Massregeln seien nur folgende erwähnt: Einschränkung des Verkehrs auf öffentlichen Wegen, Überwachung von Molkereien, Viehmärkten, Schlachthöfen, Abdeckereien, Gerbereien, Fell- und Häutehandlungen. Zum Schutze gegen einzelne Seuchen dienen ausserdem u. a. noch: polizeiliche Überwachung der erkrankten, verdächtigen oder für die Seuche empfänglichen Tiere, Beschränkung des Personenverkehrs in den Stallungen, Verbot oder Beschränkung des Handels mit Tieren, Einschränkung des gemeinsamen Weideganges, Sperre der Ställe, Gehöfte, Ortschaften und Gemarkungen, Impfung der für die Seuche empfänglichen Tiere, unschädliche Beseitigung der Kadaver,[2] der Streu und der Abfälle, Reinigung und Desinfektion, Einstellung oder Beschränkung der Viehmärkte, öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Erlöschens der Seuche.

Die Zahl der zu ergreifenden Massregeln ist gross, Aufgabe der Verwaltungsbehörden ist es, sie so durchzuführen, dass unnötige Härten, die den gesamten Wirtschaftsbetrieb stark beeinträchtigen können, vermieden werden.

V. Nahrungsmittel, Genussmittel und Gebrauchsgegenstände. Im Interesse des Verbrauches beaufsichtigt die Polizei den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen.[3] Die reichsrechtliche Grundlage für ihre Tätigkeit bildet das Gesetz vom 14. Mai 1879, dazu kommen einige unwesentliche kaiserliche Verordnungen[4] und mehrere wichtige Spezialgesetze.

Die Polizei[5] ist befugt, während der üblichen Geschäftsstunden in die Räumlichkeiten einzutreten, in denen Nahrungsmittel, Genussmittel und Gebrauchsgegenstände (Spielwaren, Tapeten, Farben, Ess-, Trink- und Kochgeschirre und Petroleum) feilgehalten werden. Sie kann von diesen Gegenständen dort, wo sie feilgehalten werden, also auch auf Märkten, Plätzen, Strassen oder im Umherziehen, nach ihrer Wahl Proben zur Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung und gegen Entschädigung entnehmen. Revisionen darf die Polizei nur bei solchen Personen vornehmen, die bereits auf Grund des Gesetzes von 1879 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sind, und zwar bis zum Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an dem die Freiheitsstrafe verbüsst, verjährt oder erlassen ist.


  1. Für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet oder nach dieser Anordnung an derjenigen Krankheit gefallen sind, die zu der Anordnung Veranlassung gegeben hat, ist eine Entschädigung zu gewähren. Viehseuchengesetz § 66.
  2. Vgl. hierzu Bestimmungen des Reichsgesetzes über die Beseitigung von Tierkadavern vom 17. Juni 1911. – Meyer-Dochow 4 § 44 S. 197 38.
  3. Übersicht über die Materialien und Literatur bei Galli in Stengleins strafr. Nebengesetzen 4 (1911) 1, 624; Laband 4 3, 256; Meyer-Dochow 4 § 45 S. 197.
  4. Einen weitgehenden Gebrauch hat der Kaiser von diesem Verordnungsrecht nicht gemacht, die ergangenen Verordnungen beziehen sich auf den Verkauf von Petroleum, den Verkehr mit Essigsäure und auf die Herstellung künstlicher Kaffeebohnen.
  5. Über die Organisation der Nahrungsmittelpolizei vgl. Fränkel, Art. Nahrungsmittelpolizei, Handwörterb. d. Staatsw. 3 6, 869 – Landesrechtliche Bestimmungen, die der Polizei weitergehende Befugnisse einräumen, als die §§ 2 u. 3 des R.G. von 1879, haben Geltung.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/203&oldid=- (Version vom 3.12.2021)