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die Beteiligung an Revolution, wie durch eine traurigste Kette von Einzelattentaten auf Herrscher, Minister, Polizeibeamte, so dass namentlich die Reisen von Staatschefs seitdem ein Gegenstand besonderer Sicherheitsfürsorge wurden. Wie gegen das professionelle Verbrechertum, soweit es internationaler Art ist, so kann erfolgreich auch gegen diesen Kreis nur durch allgemeinen, zentralisierten, technisch ausgebildeten Nachrichtenaustausch, welcher Erhebliches zum Voraus signalisiert und die Erkennung au jedem Ort tunlichst verbürgt, gewirkt werden. Von einem bestehenden Ausweisungsrecht wird hier stets Gebrauch gemacht.

V. Richtpunkte der Politik können verständiger Weise nur die beiden, sachgemäss zu verbindenden Elemente sein, welche nur scheinbar sich in dieser Materie gegenüberstehen:

1. Der sichere Schutz des Staatsganzen und der Rechtsordnung, sowie die tunlichste Garantie der Rechtsgüter und der Unversehrtheit des gefährdeten Einzelnen,

2. die Vermeidung unnötiger Eingriffe in die Freiheitssphäre des sicherheitspolizeilich zu beobachtenden oder anzufassenden Individuums.

Die Ausgleichung dieser beiden Grundrichtungen ist nicht möglich durch Lehrsätze von allgemeiner Gültigkeit; auch die Parteirichtungen gehen keine feste Lösung dafür, obschon manchmal der Liberalismus mehr die individuelle Freiheit, Konservative mehr das Schutzbedürfnis und die Staatsbefugnisse dazu betonen. Die Hauptsache ist, dass Anlässe, Personenkategorien, Orts- und Zeitverhältnisse wechselnde Notwendigkeiten und Möglichkeiten in gar verschiedener Gestalt und Folge ergehen. Darnach wird in der praktischen Politik dann abwägend gehandelt und selbst der Eindruck krasser Einzelfälle, von denen man nachträglich glaubt, sie wären durch Sicherheitspolizei abwendbar gewesen, kann weittragend wirken. Als nächste Fragen der Art, welche bei uns aufgerollt zu werden scheinen, darf man nach öffentlichen Nachrichten (1913) erwarten die reichsrechtliche Regelung des Rechts zum Waffenbesitz, um ihn vorkehrend bei Geisteskranken oder sonst Sicherheitsgefährlichen auszuschliessen, und die Erwägung eines Präventivschutzes gegen antideutsche Bestrebungen in unseren Grenzländern; doch sind hierüber endgültige Dinge noch nicht zu berichten.

Im Allgemeinen darf ferner bemerkt werden: Mag auch der Ausbau des Polizeirechts im Einzelnen noch wünschenswert sein, so kann man doch Erschwernissen der Anordnung und Exekutive nicht das Wort reden, wenn sie lähmend wirken; schon der häufige Streit über die Giltigkeit von Polizeinormen ist unerwünscht. Vielmehr muss man die Vervollkommnung der Mittel (auch Besserung des Fahndungs- und Nachrichtenwesens, Vorbildungseinrichtungen usf.) wünschen, ebenso einen staatlichen die Polizei stützenden Sinn des Publikums, wie in England.

Auch kann man nicht die Aufhebung der geheimen (Detektiv-)Polizei, empfehlen, mit der freilich Gefahren verbunden sind (Provokation, Denunziation, Erfindungen und andere unerlaubte Mittel), die in der öffentlichen Meinung zu berechtigter Kritik und Abneigung führen können. Es ist aber klar, dass „ein Agent, welcher nicht als solcher bekannt ist, vieles bemerken und erfahren kann, was einem öffentlich auftretenden Beamten verborgen bleibt“ (v. Mohl), und der Ausschreitung vermag man seitens der Vorgesetzten vorzubeugen. „Kein Staat kann die politische Polizei ganz entbehren und sie ist Schutz der bürgerlichen Freiheit, wenn sie in Schranken des Gesetzes sich hält“ (E. Löning).

In der Aufsichts- und Ausweisungspraxis ist zu erstreben, dass die Anwendung der staatlichen Fakultäten, wo ihr kein ernstlicher polizeilicher oder ökonomischer Grund zur Seite steht, also auf blos formale Gründe hin, unterbleibe; insbesondere scheint es, als ob die Ausweisung Fremder, im Frieden, der Beschränkung da oder dort ohne Schaden fähig sei. Auch hört man über unschonlichen Vollzug öfters klagen; erhellt auch daraus nicht die Berechtigung der Klage, so liegt doch Grund zu sorglicher Prüfung vor, ob nicht der Zweck schon in minderen Modalitäten erreichbar sei.



Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/193&oldid=- (Version vom 1.12.2021)