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zu verbreiten; sie kann sich dabei auf vielerlei landschaftliche und örtliche Organisationen stützen. Auch für die Erhaltung eigentümlicher Naturdenkmäler und Landschaftsbilder, wie sie in der Schöpfung der National Parks in den Vereinigten Staaten begonnen worden ist, hat Preussen eine amtliche Zentralstelle begründet.[1]

Den Museen für Kunst und Kunstgewerbe sind nach Zeit, Art und Ort verschiedenartige Aufgaben zugefallen. Aus und neben den Galerien und Kabinetten der Fürsten sind vereinzelt schon im 18. Jahrhundert (1753 das British Museum, 1793 das Museum im Louvre) und in wachsender Zahl nach der Revolution öffentliche Kunstsammlungen entstanden, zunächst für klassische Werke der Antike und der neueren Malerei, später für alle Gebiete alter und neuer Kunst und Kultur, bald auf das Gute aller Zeiten bedacht, bald als Nationalmuseum auf die engere Heimat beschränkt; neben den Staatsmuseen gibt es namentlich in Deutschland Provinz-, Stadt-, Orts-, ja Dorfmuseen in fast erdrückender Zahl.[2] Den Kunstgewerbemuseen wurde zuerst das Ziel gesteckt, nicht nur Bestände zu sammeln und zu erhalten, sondern sie nutzbar zu machen für Handwerk und Kunst unserer Zeit. Auf solche lehrhafte und erziehliche Tätigkeit hat sich unter den deutschen Kunstmuseen zuerst die Kunsthalle in Hamburg gerichtet;[3] allmählich sind die meisten tätigen Museen ausser Sammelstellen auch Lehrstätten geworden.[4] Einen eigenen Typus eines nationalen Volksmuseums hat in Stockholm Hazelius in dem Nordischen Museum mit seinem Freiluftmuseum auf Skansen geschaffen. Während in Europa die Museen überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden, entsteht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine bewundernswerte Schar neuer Anstalten durch grossartige Stiftungen.[5]

4. Die Fürsorge für die Künstler und die neuen und alten Kunstwerke ergänzt sich neuerdings durch das Problem der künstlerischen Bildung und Erziehung. Die sozialen Erwecker und ästhetischen Prediger in England, Männer wie Carlyle, Ruskin, William Morris, haben der Menschheit das Gewissen geschärft für die tieferen Gründe der künstlerischen Not der Zeit. Die Werkarbeit, ausgeübt von menschlichen Maschinen, die Kunst ein Luxus der wenigen, der Sinn für die Grundlagen aller gesunden Kunstarbeit ertötet bei alt und jung: so stellte sich seit 1850 das Kunstleben Europas dar. Wer bessern will, darf nicht nur an mögliche ökonomische Gewinne denken, wie einst Colbert und die Gründer des South Kensington Museums; er muss die Volksseele um des Künstlerischen willen zu packen suchen; es handelt sich nicht um die Volkswirtschaft, sondern um ein Problem der nationalen Bildung von tiefem sozialem Wert. In Deutschland richtete Julius Langbehn (Rembrandt als Erzieher) 1890 die Gedanken auf diese Fragen. Praktisch nahm sich bei uns zuerst die Schule der Sache an. Lichtwark und Konrad Lange[6] wiesen zuerst die Wege. In Hamburg schuf die Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung die ersten Organisationen für die Arbeit; der erste Kunsterziehungstag in Dresden 1901 trug sie in weitere Kreise.[7] Seither ist über das Ganze und seine Einzelheiten eine reiche Literatur entstanden.

Unter den Mitteln, um das Auge und die Phantasie des Kindes zu üben und anzuregen, steht der Zeichenunterricht obenan. In Paris gab es schon 1776 eine öffentliche Zeichenschule; in England wurden Kunst- und Zeichenschulen schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts organisiert.[8] Auch in Deutschland ist das Zeichnen seit Jahrzehnten als Unterrichtsfach anerkannt. Doch galt es vor dreissig Jahren oft mehr als Vorübung für künftige Techniker wie als ein notwendiges


  1. H. Conwentz, Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung. 3. Aufl. Berlin 1905.
  2. Dressler a. a. O. – V. Scherer, Deutsche Museen. Jena 1913.
  3. A. Lichtwark, Die Organisation der Kunsthalle in Hamburg. Hbg. 1887.
  4. Die Museen als Volksbildungsstätten. Ergebnisse der 12. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. Berlin 1904.
  5. Vgl. Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, hrsg. von Koetschau. Berlin 1905 ff.
  6. Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend. Darmstadt 1893.
  7. Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des Kunsterziehungstages in Dresden 1901. Leipzig 1902.
  8. Waentig a. a. O.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/184&oldid=- (Version vom 28.11.2021)