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der des staatlichen Schutzes würdigen und bedürftigen Denkmäler aufzustellen, und diese Klassierung („Classement“) haben alle wichtigeren späteren Denkmalschutzgesetze von Frankreich übernommen. Sie wurde 1881 auch auf die im Privatbesitz befindlichen Denkmäler, hier allerdings nur die unbeweglichen d. h. die Baudenkmäler (und 1906 durch das Verdienst der „Societé pour la protection des paysages de France“ auch auf „Naturdenkmäler“ und schöne Landschaften), ausgedehnt. Aber erst das Gesetz vom 30. März 1887 schuf die nötigen rechtlichen Grundlagen, nachdem auch die Einführung eines partiellen Enteignungsrechtes im Jahre 1841 keine grosse praktische Bedeutung gehabt hatte. Das Gesetz von 1887 bestimmt: ein klassiertes Denkmal, gleichviel ob beweglich oder unbeweglich, staatlich oder privat, darf ohne Genehmigung des französischen Unterrichtsministeriums weder zerstört, noch restauriert, erweitert oder verändert werden. Ohne staatliche Genehmigung ist es ferner verboten, bewegliche klassierte Denkmäler, sowohl öffentliche, als auch private, zu veräussern. Unter Umständen ist sogar ein unbewegliches Denkmal, ebenso wie der Grund und Boden, der ein klassiertes Denkmal enthält, zwangsweise zu enteignen. Die Ausführung allerdings blieb auch jetzt noch in ziemlich engen Grenzen, weil vor allem nur eine verhältnismässig geringe Zahl von Monumenten klassiert worden ist (bis heute erst wenig über 2000), um diesen einen wirklich erfolgreichen Schutz gewähren zu können, der durch die vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel beschränkt ist.

Inzwischen war auch in Preussen ein weiterer Schritt durch Einsetzen eines Konservators der Denkmäler im Jahre 1843 geschehen, und damit eine staatliche Instanz im Hauptamte für die Denkmalpflege geschaffen, deren Einwirkung auch auf die nicht im Besitz des Staates befindlichen kirchlichen, Gemeinde- oder privaten Kunstdenkmäler ausgedehnt wurde. Diesem Beispiel Preussens folgten die Regierungen der anderen Bundesstaaten mehr oder weniger bald. Ein eigentliches „Denkmalschutzgesetz“ aber ist in Deutschland nur in zwei Bundesstaaten: Hessen und Oldenburg, erlassen worden.

Wie in diesen beiden Gesetzen (s. u.) so ist das Prinzip des französischen Classement schor vorher auch in anderen Kulturstaaten zur Anwendung gekommen: zunächst in mehr beschränkten Weise in England, dagegen viel umfassender und strenger in dem von England beherrschten Indien und in Ägypten; ferner in Dänemark, Portugal, Rumänien und teilweise auch der Schweiz, endlich neuerdings in Italien (1902) und Österreich (Gesetz-Entwurf von 1911), während in Elsass-Lothringen das Classement aus der französischen Zeit her in Geltung geblieben ist.

Auch das erste deutsche Denkmalschutzgesetz, das hessische Gesetz vom 16. Juli 1902, beruht auf dem Prinzip der Klassierung oder „staatlichen Einwertung“, wie es hier genannt wird, d. h. der Eintragung in eine staatliche Denkmalliste, und zwar erfolgt die Einwertung der beweglichen und unbeweglichen Denkmäler im Staatsbesitz oder im Besitz juristischer Personen des öffentlichen Rechtes direkt durch die Kreisämter, die der im Besitz natürlicher Personen oder juristischer Personen des Privatrechts befindlichen unbeweglichen Denkmäler – nur diese werden bei letzteren erfasst – durch eine vom Ministerium unabhängige, zum Teil mit Laien besetzte, ehrenamtliche Kommission, den sogenannten „Denkmalrat”, gegen dessen Entscheidung dem Besitzer ein Einspruch zusteht. Noch weiter geht das oldenburgische Denkmalschutzgesetz vom 18. Mai 1911, das überhaupt in vieler Beziehung vorbildlich und beachtenswert ist. Es erstreckt nämlich das Prinzip der Klassierung auf alle schutzbedürftigen Denkmäler – also auch die beweglichen im Privatbesitz – und nimmt ausdrücklich unter Berufung auf das Enteignungsgesetz die Möglichkeit der Enteignung von Denkmälern und der Umgebung von Denkmälern und von archäologisch wichtigem Boden in Aussicht. Eine sehr wesentliche Handhabe für die Denkmalpflege bieten ferner die modernen Landesbauordnungen in Sachsen, Baden und Württemberg und das neue „Baupflegegesetz“ von Hamburg. Bayern dagegen hat auf Grund seiner älteren Gemeindeordnungen und durch neuere Ministerialerlasse umfassende Fürsorge getroffen. Preussen endlich ist über mehrfache Entwürfe eines Denkmalschutzgesetzes nicht hinausgekommen und hat schliesslich an Stelle eines solchen das den

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/176&oldid=- (Version vom 26.11.2021)