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geplante Verzicht auf theologische Fakultäten: die neuen Universitäten würden dadurch einer Reihe von Schwierigkeiten und Konflikten von vorne herein entnommen sein, aber sich auch arm machen an bedeutenden Menschen und an ehrenvollen und stählenden Geisteskämpfen; und so würden sie über kurz oder lang die Lücke doch ausfüllen müssen. Unklar und nicht ohne Gefahr ist in Frankfurt endlich auch die Stellung der Stadt und der Stifter, die durch Einsetzung eines ihre Interessen wahrenden Kuratoriums Einfluss ausüben wollen nicht nur auf die Verwaltung und finanzielle Gebahrung, sondern auch auf die Berufung der Professoren. Die Absicht dabei ist, eine völlig unabhängige, an keine politischen oder konfessionellen Beschränkungen gebundene Professorenschaft zu gewinnen. Die Frage aber ist, ob nicht die dreifache Konkurrenz von Staat, Kuratorium und Fakultät gerade umgekehrt wirken und eine weitere Abhängigkeitsnüance zu den bisher schon bestehenden hinzufügen wird; im demokratischen Nordamerika wirken solche lokalen Kommissionen vielfach in einem die Freiheit übel beschränkenden Sinn. Oder allgemeiner: auch hier wird sich das Problem der Autonomie der Universitäten und ihrer Wahrung gegen Eingriffe von oben und von aussen nur in anderer Form, aber kaum in verminderter Schwere und Schärfe als das eigentlich belastende Problem einstellen und wie zu neuen Lösungen, so gelegentlich auch zu neuartigen Konflikten führen.

Doch das sind Zukunftserwägungen. Einstweilen zeigen die Universitätspläne dieser hervorragenden und modern gerichteten Städte, dass das Alte noch lange nicht veraltet und der Stamm der deutschen Universitäten trotz seiner vielhundertjährigen Vergangenheit gesund und kraftvoll genug ist, um immer noch neue Äste und Zweige aus sich hervor zu treiben – wie wir hoffen, im Dienste unserer deutschen Wissenschaft, unserer germanischen Freiheit und unserer nationalen Machtstellung, und damit zugleich auch im Dienste humaner Bildung und allgemein menschlicher Kultur.





b) Die Bedeutung der akademischen Seminarien für die Geisteswissenschaften.
Von
Wirkl. Geh. Rat Dr. Wilhelm Wundt,
o. Professor der Philosophie an der Universität Leipzig.


Die ältesten akademischen Seminarien sind in Deutschland den Geisteswissenschaften, freilich nur einem sehr beschränkten Umkreis derselben gewidmet gewesen. Die Übungen der klassischen Philologen bildeten in Göttingen schon im 18. Jahrhundert, in Leipzig und anderen Orten vom Anfang des 19. an die ersten Anfänge. Sie verfolgten zuerst nur den Zweck, den Studierenden die auf der Schule gewonnene praktische Übung in den beiden klassischen Sprachen zu bewahren; sie waren also reine Übungsinstitute. Erst als sich vom dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts an der Seminargedanke auf die Naturwissenschaften und die Medizin übertrug, gewann er eine andere und wesentlich erhöhte Bedeutung. Die chemischen, physikalischen, physiologischen Laboratorien wurden Anstalten, die neben der praktischen Übung der Studierenden auch ihre Vorbildung für die selbständige Ausführung von Untersuchungen erstrebten. So gewann das zunächst ebenfalls der Übung bestimmte Laboratorium allmählich zugleich den Charakter eines Forschungsinstituts

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/159&oldid=- (Version vom 21.11.2021)