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auf ein Dienstzeugnis mit genauen Angaben über seine Tätigkeit. 12. Sicherung des Eigentumsrechtes der Angestellten an ihren Erfindungen und eines angemessenen Anteils an dem Nutzen der Patentverwertung. 13. Verhinderung des Missbrauchs von Dienstwohnungen, Pensionskassen oder dergleichen zur Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 14. Schaffung von Beamtenausschüssen in allen Betrieben mit einer bestimmten Zahl von Angestellten.

8. Die geforderten sozialpolitischen Schutzbestimmungen beziehen sich auf: 1. Mindestruhezeit resp. tägliche Höchstarbeitszeit für jeglichen Betrieb, in dem fremde Arbeitskräfte tätig sind; Regelung der Arbeitspausen. – 2. Reichsgesetzlicher Achtuhrladenschluss in allen offenen Verkaufsstellen; 3. Verbot der Sonntagsarbeit in Büros und offenen Verkaufsstellen möglichst unbedingt, in anderen Betrieben, soweit es die Natur des Betriebes gestattet. Anspruch der am Sonntag beschäftigten Arbeitnehmer auf einen Ruhetag in der Woche (nach französischem Vorbilde). 4. Gesetzlichen Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub (nach österreichischem Vorbilde). 5. Weitergehende Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit. Verbot der Nachtarbeit für Frauen und Kinder möglichst unbedingt, für Männer, soweit es die Natur des Betriebes gestattet. 6. Erweiterter Schutz der Gesundheit und Sittlichkeit, insbesondere Vorschriften über eine sanitäre Einrichtung der Wohn- und Geschäftsräume; Strafverfolgung der Arbeitgeber bei unsittlichen Anträgen ihren weiblichen Angestellten gegenüber in Anlehnung an § 174 St.G.B.

9. Endlich werden von öffentlich rechtlichen Bestimmungen unter anderen noch angestrebt: 1. Sicherung des Koalitionsrechts für alle Gruppen ohne Ausnahme; 2. Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und ihre Befreiung von den im Reichsvereinsgesetz für politische Vereine vorgesehenen Beschränkungen; 3. Schaffung von Arbeitskammern mit besonderen Abteilungen für die Privatbeamten; 4. Schaffung von Berufsgerichten für die Angestelltengruppen, welche noch keine besitzen; 5 Ausdehnung der Gewerbeinspektion auf alle Schutzgesetze und Arbeitsverhältnisse (evtl. Schaffung einer besonderen Handelsinspektion). 6. Vorschriften zur wirksamen Bekämpfung der Lehrlingszüchterei; 7. Einführung eines allgemeinen Fortbildungsschulzwanges. –

Soweit Unterschiede in den Forderungen der einzelnen Berufsgruppen zutage treten, sind sie verhältnismässig unbedeutend. Sie sind meist nicht erheblich grösser, als die Unterschiede zwischen den Zielen der verschiedenen Organisationen des gleichen Berufes; sie sind abhängig von der Zusammensetzung des Mitgliederbestandes, von dem paritätischen oder rein gewerkschaftlichen Charakter des Verbandes, von dem mehr oder minder engen Anschluss an bestimmte politische Gruppen oder Persönlichkeiten, von den Eigenschaften der Führer und anderen oft nur zufälligen Umständen.

10. Die Mittel und Wege, mit welchen die Privatbeamtenverbände die wirtschaftliche Lage ihrer Mitglieder zu heben suchen, sind vielfach dieselben wie diejenigen der Arbeitervereine; gleich diesen gewähren sie ihren Mitgliedern Rechtsschutz, Auskünfte, Stellenvermittelung, Belehrung und die verschiedensten Arten von Unterstützungen, wobei sich jedoch die bei den Arbeiterorganisationen besonders gepflegte Arbeitslosenunterstützung hier seltener und besondere Streikfonds überhaupt nicht finden.

11. Im Gegensatze zur Arbeiterbewegung kennt die Privatbeamtenbewegung bisher keine Streiks und Aussperrungen. Die Organisationen der Angestellten haben vielmehr stets den Weg friedlicher Vereinbarung bevorzugt. Sie sind bei den Unternehmern oder deren Interessenvertretungen zwecks Abstellung herrschender Missstände vorstellig geworden, oder sie haben durch Erhebungen, Flugschriften und Eingaben die öffentliche Meinung und die gesetzgebenden Körperschaften im Sinne notwendiger Reformen zu beeinflussen gesucht. Mag auch die Taktik der Arbeiterverbände in vielen Fällen schneller zum Ziele geführt haben, so ist doch zweifellos der Weg, welchen die Privatbeamtenbewegung bisher eingeschlagen hat, der zuverlässigere gewesen. Die Art, mit welcher die Berufsvereine der Angestellten ihre Forderungen zum Ausdruck gebracht haben, hat vielfach dazu beigetragen, dass sie bei Arbeitgebern sowie bei den Behörden Verständnis für die Berechtigung ihrer

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/340&oldid=- (Version vom 9.10.2021)