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Sonderstatistik gewisser einzelner Verwaltungsbetätigungen, die vom Standpunkt der allgemeinen statistischen Erkenntnis-Interessen erhöhte Bedeutung haben, oder denen wenigstens eine solche nach der jeweils massgebenden Auffassung beigelegt wird. Besonders anschaulich ist dies zurzeit im Deutschen Reich, und ähnlich auch in anderen Ländern im Ressort der Rechtspflege entwickelt in der Ausgestaltung einer hyper-summarischen – namentlich auf dem Gebiet der gesamten bürgerlichen Rechtspflege, aber ebenso auch für die Vorstadien der Strafrechtspflege, die dem rechtskräftigen Endurteil vorangehen, ganz ungenügenden – „Justizstatistik“ als einer blossen Geschäftsstatistik im Gegensatz zu der besser ausgebauten, im ganzen aber auch noch nicht vollbefriedigenden besonderen „Kriminalstatistik“ als einer Sonderstatistik der rechtskräftigen Aburteilungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze. Ein weiteres Beispiel des reichlichen Ausbaues sekundärstatistischen Materials liegt in der Ausgestaltung einer besonderen auf das spezielle Einsteuerungsmaterial gegründeten Steuerstatistik, neben den rein geschäftsmässigen summarischen Ausweisen, wie sie im rechnungsmässigen Nachweis der Steuererträge sich ergeben. Allgemeine, etwa der deutschen Justizstatistik ähnliche statistische Geschäftsberichte für das gesamte, allerdings im einzelnen sehr mannigfaltig zusammengesetzte Ressort des Innern sind selten; erwähnenswert sind als ein Typ solcher Ausweise die Berichte des badischen Ministeriums des Innern. Dagegen gibt es in diesem Ressort verschiedene reicher ausgebaute Spezialstatistiken sekundären Charakters, so insbesondere die aus dem Material der Standesregister abgeleitete Statistik der Bevölkerungsbewegung, wozu in einzelnen Staaten noch eine spezielle aus dem Material der Leichenschau abgeleitete Todesursachenstatistik kommt. Das Unterrichtsressort entnimmt fortlaufende Ausweise mehr summarischer Art aus seinem Aktenmaterial, während gelegentliche oder fortlaufende primärstatistische Ermittlungen, z. B. bei der neuzeitlichen deutschen Universitätsstatistik oder zusammenfassend für das ganze Unterrichtswesen in einer von Zeit zu Zeit einsetzenden Gesamterhebung Platz greifen. Die wirtschafts- und sozialpolitische Verwaltung bietet in ihren Akten reiche statistische Schätze, man denke nur z. B. an das, was das Aktenmaterial der Sozialversicherung bietet; daneben ist für diese Verwaltung besonders reichlich Anlass zur Befürwortung primärstatistischer Sondererhebungen gegeben. z.B. bei der Betriebs- und Produktionsstatistik, insbesondere auch in Gestalt von Sonderermittlungen über die im Gebiet der Sozialversicherung spezieller statistischer Beobachtung zugänglichen Massen, so z. B. die Sonderermittlungen über Unfälle und deren Ursachen über Invalidität und deren Ursachen, über Heilbehandlung usw. Reiches statistisches Material entquillt ohne weiteres der gesamten Geschäftsführung der Verkehrsverwaltung und zwar hier in der Hauptsache in reich ausgegliederter sekundärstatistischer Ermittlung. Ähnlich liegt die Sache bei dem Ressort der Finanzverwaltung – , bei der übrigens – wie bereits hervorgehoben – ein weiterer Ausbau der blossen Geschäftsstatistik zu sorgsam ausgegliederten Sonderstatistiken gerade wie auch bei der Verkehrsverwaltung möglich und in einzelnen Sonderleistungen auch durchgeführt ist. Reich ausgestaltetes sekundärstatistisches, seinem Wesen nach – wie bereits erwähnt – der primärstatistischen Erkundung verwandtes Material, insbesondere auf dem Gebiet der Beobachtung des Warenverkehrs, liefert die Zollverwaltung. Endlich hat auch die Heeres- und Marineverwaltung reichhaltiges zu sekundärstatistischen Veröffentlichungen Anlass gebendes Material, das allerdings nur mit einer gewissen Zurückhaltung – am wenigsten beim Militärsanitätswesen – zu allgemein zugänglichen reich ausgebauten Statistiken verwertet wird.

Schon im bisherigen war gelegentlich das Ressortinteresse an der Ausgestaltung nicht nur der Ressort-Verwaltungs-Statistik sondern an der Durchführung grosser allgemeiner primärstatistischer Erhebungen zu erwähnen, die tatsächlich im Interesse nicht eines Ressorts, sondern im allgemeinen Interesse des Gemeinwesens gelegen sind. Soweit nur einfache geschäftsstatistische Ausweise in Frage sind, ist die Lieferung dieser Ausweise zweifellos ganz und gar Sache des betreffenden einzelnen Ressorts. Wie aber steht es mit den grossen primärstatistischen Erhebungen? Auch solche können unter besonderen Umständen in ihrer Durchführung und weiteren Beobachtung Ressortangelegenheit bleiben, so insbesondere bei einzelnen primärstatistischen Zutaten zur Statistik einer Verwaltung, die ohnedies in sekundärstatistischen Ausweisen sehr reiche Entwicklung zeigt, so beispielsweise bei der Finanz-, Verkehrs- und der neuzeitlichen Sozialversicherungs-Verwaltung. Abgesehen von diesen in unmittelbarem Zusammenhang

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/258&oldid=- (Version vom 31.7.2021)