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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

heute in den meisten Staaten auf dem Systeme der agnatischen Primogeniturordnung unter Ausschluss oder doch nur subsidiärer Zulassung der kognatischen Verwandtschaft. Zuweilen wird diese Erbfolgeordnung durch Erbverbrüderungen, Adoption oder Berufung einer neuen Dynastie mittels Gesetzes oder freier Verfügung des letzten Throninhabers ergänzt.[1]

In der Wahlmonarchie wird der Thronfolger von Fall zu Fall durch Wahl bestimmt. Der Kreis der Wahlberechtigten kann verschieden gezogen sein, wesentlich ist nur, dass sich die Organtätigkeit der Wähler mit dem Wahlakt erschöpft und dass die Wähler nicht etwa als dem Monarchen übergeordnet erscheinen.[2] Nicht selten – so namentlich in der ältesten Zeit des griechischen und des germanischen Königtums und im Mittelalter – findet sich eine eigenartige Kombination von Erbrecht und Wahl, insoferne als der Thronfolger aus einem bestimmten Geschlechte, in welchem die monarchische Würde erblich ist, gewählt werden muss.[3] Unter den modernen Kulturstaaten kommt die Wahlmonarchie heute nicht mehr vor; dagegen findet sich die Königswahl noch bei primitiven Völkern.[4] Etwas anderes ist die Einsetzung einer neuen Dynastie, die auch noch in der neueren und neuesten Zeit (so in Belgien, Bulgarien, Serbien, Norwegen) mehrfach im Wege der Wahl durch die Volksvertretung erfolgt ist.

b) Unbeschränkte und beschränkte Monarchie.

Die Unterscheidung dieser beiden Arten der Monarchie geht zurück auf die Verschiedenheit des Umfanges der monarchischen Befugnisse und ist von grundlegender Bedeutung.

α) Die unbeschränkte Monarchie.[5]

Eine absolute oder unbeschränkte Monarchie ist ein Staat, in welchem der Monarch die gesamte Staatsgewalt unmittelbar in sich vereinigt, in welchem er das einzige Staatsorgan ist, dessen Willensäusserungen „in gewissen Grenzen unmittelbar als Aeusserungen des Staatswillens selbst gelten“, während alle übrigen Staatsorgane nur Organe seines Willens und nur mit der Ausführung seiner Befehle betraut sind.[6] Da der absolute Monarch in der Ausübung seiner staatlichen Funktionen nirgends an die Mitwirkung anderer Staatsorgane gebunden und in der selbständigen Handhabung aller Rechte der Staatsgewalt durch kein Gesetz beschränkt ist, so ist die absolute Monarchie in ihrer ursprünglichen Gestalt verfassungslos. Indessen kann auch der absolute Herrscher unbeschadet des rechtlichen Charakters seiner Herrschaft die Ausübung der Herrschaftsgewalt in gewisse rechtliche Formen kleiden und an die Nichteinhaltung dieser Formen die Folge der Unwirksamkeit bestimmter Staatsakte knüpfen, sofern er sich nur vorbehält, diese Formen jederzeit ohne Zustimmung irgendwelcher anderer Faktoren aus eigener Machtvollkommenheit wieder aufzuheben oder abzuändern.[7] Diesen Vorgang beobachten wir vor allem in der Zeit des aufgeklärten Absolutismus,


  1. Vgl. hierüber Jellinek, S. 677 (694), und beispielsweise hess. Verfassung vom 17. XII. 1820, Art. 5.
  2. Wenn diese, von Jellinek, S. 675 (691), hervorgehobenen Voraussetzungen erfüllt sind, liegt keinerlei Grund vor, die Wahlmonarchie, wie beispielsweise Roscher, Politik. 2. A. (1893) S. 23 es tut, als „eine Art von Republik“ zu bezeichnen.
  3. Vgl. Treitschke, II. S. 71, 75, 95 f.
  4. S. Post, Grundriss der ethnologischen Jurisprudenz, I, 1894 S. 392.
  5. S. Jellinek S. 677 (694); Roscher, S. 193 ff., bes. S. 250 f., unterscheidet drei Hauptarten der absoluten Monarchie: Die konfessionelle, die höfische und die aufgeklärte. S. auch Koser, über die Epochen der absoluten Monarchie, Histor. Zeitschrift, B. 61.
  6. S. Merkel, § 387; vgl. auch Treitschke, II., S. 107; Jellinek, S. 677 (694).
  7. Vgl. z. B. das Hessen-Darmst. Verfassungsedikt vom 18. III. 1820 (RBl. S. 101), welches die Steuererhebung an die Genehmigung der Stände knüpfte, gleichzeitig aber dem Landesherrn – wenn auch „mit dem sehnlichen Wunsche, dass Wir nie in den Fall kommen worden, hiervon Gebrauch machen zu müssen“ – für den Fall des Nichtzustandekommens einer Steuervereinbarung das Recht der Forterhebung der alten Steuern vorbehielt.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/160&oldid=- (Version vom 22.7.2021)