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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

Merkmal der Monarchie anzusehen.[1] Thronverzicht und Thronentsetzung sind als Rechtseinrichtungen der Monarchie weder begrifflich noch tatsächlich unmöglich. Ebenso ist es nicht nur theoretisch denkbar, sondern auch praktisch durchführbar, dass der Herrscher für einen bestimmten Fall, wie z. B. das Besteigen eines fremden Thrones, verfassungsmässig seiner Krone verlustig geht. Derartige Bestimmungen finden sich beispielsweise in der Verfassung von Sachsen-Coburg-Gotha vom 3. V. 1852 § 9[2] und in dem bad. Hausgesetz vom 4. X. 1817[3] – ein Beweis, dass die Lebenslänglichkeit der Monarchenstellung nicht als ein notwendiges Merkmal der monarchischen Verfassung angesehen werden kann.

Anders steht es mit der Verantwortlichkeit. Verantwortlichkeit bedeutet Unterwerfung unter das Urteil einer anderen Gewalt, ist also auf Seiten des Trägers der höchsten Gewalt etwas begrifflich Unmögliches. Wenn im Mittelalter gleichwohl unter dem Eindrucke der verschiedenartigsten Theorien und namentlich der dem Staatsgedanken ja schon an sich widersprechenden lehensrechtlichen Anschauungen jahrhundertelang von einer Verantwortlichkeit der Souveräne gesprochen wurde, so konnte doch diese Verantwortlichkeit tatsächlich nicht in den Formen des Rechts, sondern nur auf dem Wege der Gewalt in Anspruch genommen werden und verliert so den Charakter der Rechtseinrichtung.[4] Wir sind also trotz der entgegenstehenden Rechtsauffassung des Mittelalters berechtigt, die Unverantwortlichkeit des Monarchen, so wie sie auch schon im alten Griechenland und im alten Rom anerkannt war, als ein Essentiale der Einherrschaft zu bezeichnen.

2. Die Arten der Monarchie.

Ebenso wie für die Unterscheidung der Grundformen der staatlichen Herrschaft besteht auch für die Unterscheidung ihrer Unterarten eine unübersehbare Menge von Unterscheidungsmöglichkeiten und Unterscheidungsmassstäben. Die Einteilungsgründe sind je nach dem Interesse des Betrachters bald geschichtlicher, bald philosophischer, bald theologischer, bald naturwissenschaftlicher, bald politischer, bald juristischer Natur – am seltensten das letztere.[5] Vielfach gehen sie systemlos durcheinander. Bestimmte Einteilungsgründe lassen sich nur für die Unterscheidung der verschiedenen Unterarten der Monarchie, andere nur bei der Unterscheidung der einzelnen Unterformen der Mehrherrschaft, einzelne lassen sich sowohl hier wie dort verwenden.

Den wichtigsten Einteilungsprinzipien folgend kommen wir zu folgenden Unterscheidungen:[6]

a) Wahlmonarchie und Erbmonarchie.

Der Gegensatz, der zu dieser Unterscheidung führt, ist die Verschiedenartigkeit der Berufung des Monarchen zu seiner Herrscherstellung.

In der Erbmonarchie bestimmt sich die Berufung zum Throne nach der Verwandtschaft mit dem Vorgänger in der Herrschaft nach Massgabe der Thronfolgeordnung. Die Erblichkeit der monarchischen Würde geht auf Jahrtausende zurück und findet sich unter den primitivsten wie unter den höchstentwickelten Völkern.[7] Die Thronfolgeordnung beruht


  1. A. M. Jellinek, S. 672 (689), wenngleich er die Möglichkeit von Abweichungen anerkennt; ähnlich Schwarzlose, Die differenzierenden Momente zwischen Demokratie, Aristokratie und Monarchie, Heidelbg. Diss. 1905. S. 47.
  2. S. Jellinek, i. A. S. 672. 3. A. 689.
  3. Vgl. Walz, bad. Staatsrecht, 1909, S. 45. – Vgl.auch die bayr. Verfassungsnovelle vom November 1914.
  4. Vgl. von Frisch, Die Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate, 1904, S. 104 ff., Jellinek, S. 672 (689) ff.
  5. Treitschke, Politik, II, S. 69 f unterscheidet z. B. 1. das heroische Königtum; 2. die Lehnsmonarchie und die aus ihr hervorgegangene ständische Monarchie; 3. das Wahlkönigtum; 4. die absolute Erbmonarchie; 5. die konstitutionelle Monarchie; 6. Tyrannis, Caesarismus und Bonapartismus.
  6. Die Unterscheidungen unter a) und b) finden sich vor allem bei Adolf Merkel, Jurist. Enzyklopädie, 5. A., hgg. von Rudolf Merkel, 1913, §§ 398 ff., und bei Jellinek a. a. O., 2. A. S. 674 ff., 3. A S 691 ff.
  7. S. z. B., Erman, Agypten, S. 101; Wilutzky, Vorgeschichte des Rechts, 1903, B. III, S. 19. Über Erbkönigtum und Wahlprinzip in Deutschland s. Meister, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. A. 1913, S. 84 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/159&oldid=- (Version vom 22.7.2021)