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bemüht er sich nicht um Unerreichbares, sondern indem er den Verfall des Reiches[1] und der alten Rechtsordnung, auf der es basierte, einsah, suchte er neue Rechtscentren und einen neuen Untergrund für das deutsche Staatswesen, naturgemäss in den Bahnen der seit Rudolf von Habsburg üblichen Hauspolitik. Wie wäre es auch anders möglich gewesen, nachdem die Kaiser mit Verlust der engen Verbindung von Reichsgut und Hausgut allen Boden unter den Füssen verloren hatten? So sollen denn Böhmen und ein grosses Ostreich Karl IV. Centrum des Reiches werden; das soll der Ausgangspunkt sein, von dem aus Karl und sein Haus sich den ersten Einfluss in Deutschland erobern wollen und Karl wenigstens Deutschland wieder zu einem einigen, machtvollen Ganzen machen will. Da jeder Versuch, das erbliche Königtum einzuführen, unnütz war, so nutzt Karl die zur Zeit gegebene Lage der Dinge so gut aus, als sie nur immer auszunutzen ging, wir können wohl sagen, zu seinem und auch zum allgemeinen Besten. Er bedient sich dazu der augenblicklich mächtigsten Institution des Reiches, des Kurfürstenkollegs, mit dessen Stärkung er vor allem sich selbst als ersten Fürsten desselben stärkt. Je sicherer und fester er die Königswahl machte, um so mehr konnte die hervorragende Stellung der böhmischen Kur dem Wohle der Luxemburger dienen und ihnen auf diesem Wege die deutsche Königskrone erhalten, da diese nun einmal erblich nicht zu machen war.

Welche weiteren Ziele Karl in dieser Hinsicht vor Augen hatte, zeigen ja deutlich seine Pläne mit Brandenburg und die schliessliche Erwerbung dieser Kur. Endlich aber musste Böhmens Kurstimme auch bei Verlust der deutschen Königskrone seinem Hause immer einen entscheidenden Einfluss in Deutschland sichern, während es selbst von Deutschland fast unabhängig war.

Es muss aber hervorgehoben werden, dass Karl IV. der erste zum Könige erwählte Kurfürst war. Die kurfürstliche Position blieb seinen Nachfolgern gesichert, die königliche aber war kein Erbgut.

  1. Vergl. das Bild der Verfassung des deutschen Reiches um 1346 Werunsky: Geschichte Kaiser Karls IV. II1 S. 1—59.
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Oscar Hahn: Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV.. Breslau, 1902, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hahn_Ursprung_und_Bedeutung_der_Goldenen_Bulle.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)