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Dabei wird neben der Sprache der G. B. die Sprache der Zeit, etwaige Vorlagen, fremdsprachliche Einflüsse u. a. in den Mittelpunkt des Interesses treten.

Gerade während der Regierung Karls IV. beginnt sich ein bedeutungsvoller Kulturwandel in Deutschland zu vollziehen.[1] Böhmen aber war dazu berufen, die erste Pflanzstätte der neuen Ideen, der Lebensführung und geistigen Kultur zu werden, die man unter den Namen Renaissance und Humanismus zusammenfasst. Von Italien her zum Teil auf dem Wege über Frankreich, kamen diese Einflüsse. Karl, der in dem einen Lande erzogen war, im anderen mit den bedeutendsten Führern der neuen Bildung wie Petrarca und Boccaccio in Beziehungen stand, hat, vorzüglich durch die Gründung der Prager Universität, einen bedeutenden Teil beigetragen zu der folgenreichen Einwirkung der italienisch-französischen Kultur auf das ganze deutsche Geistesleben.

Einen wesentlichen Bestandteil der neuen Kultur bildete die Belebung des Klassicismus, die allmähliche Rückkehr vom mittelalterlichen Latein zu der altklassischen Sprache. Der Humanismus bildete sich einen eigenen Stil und eine eigene Sprache aus in Anlehnung besonders an Cicero. Es ist noch nicht die reine Klassicität der Ciceronianer des XV. Jahrhunderts, und „selbst bei einem Manne wie Petrarca; der sich an Seneca und Cicero geschult hatte, fehlen nicht zahlreiche mittelalterliche Gewohnheiten“.[2] Um soviel weniger rein vom Mittelalter ist naturgemäss die Sprache der böhmischen Kanzleien, die dazu berufen waren, in Stil und Sprache dem Humanismus in Deutschland als Bahnbrecher zu dienen.

Dazu waren sie allein schon dadurch geeignet, dass sie durch mehrere Mitglieder unmittelbare persönliche Beziehungen mit Frankreich und Italien hatten;[3] die Notare Andreas Paynellus (de Paynellis) aus Goito am Mincio nordwestlich

  1. Das folgende nach R. Burdach: Vom Mittelalter zur Reformation Halle 1893. S. 21 ff., dessen vorzügliche Schilderung Karls und seines Hofes kaum zu übertreffen ist.
  2. S. Burdach a. a. O. 72.
  3. Nach Burdach a, a. O. S. 73. S. auch die Liste der Notare bei Böhmer-Huber.
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Oscar Hahn: Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV.. Breslau, 1902, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hahn_Ursprung_und_Bedeutung_der_Goldenen_Bulle.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)