Seite:Hahn Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle.pdf/32

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des Vikariats[1] während der Erledigung des Kaiserstuhles durch Todesfall an Pfalz und Sachsen mit gesonderten Amtsbezirken, dem einen in den Gebieten des fränkischen Rechtes, dem anderen in den Landen des sächsischen Rechtes. Interessant und jedenfalls auf einen Druck[2] von seiten der Kurfürsten auf den Kaiser zurückzuführen, ist der zweite Teil der Urkunde; er giebt dem Pfalzgrafen das „judicium“ über den Kaiser, d. h. das Recht, ihn bei Anklagen zur Verantwortung zu ziehen. Der Nachsatz freilich, der jenes Recht dem Pfalzgrafen nur in Gegenwart des Kaisers und auf kaiserlichen Hoftagen[3] zugesteht, macht das erste Zugeständnis gefahrlos und giebt eine Probe von dem seltenen diplomatischen Geschick Karls.

Bevor wir nunmehr an die Betrachtung der Capitel mehr formellen Charakters gehen, sei vorher noch eine Bemerkung gestattet, in welchem Sinne die Stände des Reiches die bisher erörterten Bestimmungen der G. B. aufnehmen mussten. Nerger[4] betont mit Recht, mit welchem Missfallen und Widerspruch die Fürsten wie die Städte die Privilegien zugunsten der Kurfürsten betrachteten. Es erhoben sich Stimmen gegen die Privilegien, starke Zweifel, ob auch die Krone Böhmen wirklich so viele Privilegien besitze, und einige „Söhne der Finsternis“[5] sprachen solches offen aus.

  1. Cap. 5.
  2. So meint auch Harnack a. a. O.
  3. So urteilt auch J. Weizsäcker: der Pfalzgraf als Richter über den König (Abhdl. der Ges. d. Wissensch, z. Gött. Bd. 33, 1886), dessen Annahme eines Kompromisses wohl nur hinsichtlich der Ausschliessung des Contumacialverfahrens richtig ist. R. Löning: Zts. f. d. ges. Strafr. Wiss. 7, 674 versteht unter imperialis curia nicht den R. T., sondern das Reichshofgericht. Ob die Reichsverfassung vor der G. B. ein wirkliches Rechtsverfahren gegen den König kannte, ist bestritten. (Vergl. Weizsäcker a. a. O. und Harnack F. D. G. 26, 146 ff., dagegen Löning a. a. O. u. Z. R. G. 22,59). Cap. 52 der G. B. giebt jedenfalls einer Theorie des Sachsenspiegels die gesetzliche Anerkennung.
  4. S. näheres darüber bei Nerger a. a. O. S. 23 ff.
  5. Aus der Urkunde vom 11. Dez. 1356 (bei Jirecek: Cod. Juris Bohemici 2,1 S. 431 f.): … tamen quia nonnulli filii tenebrarum oculis coecutientibus a divina luce remoti in meridiana claritate palpitant etc. (Vgl. auch o. S. 15 Ann. 5.)
Empfohlene Zitierweise:
Oscar Hahn: Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV.. Breslau, 1902, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hahn_Ursprung_und_Bedeutung_der_Goldenen_Bulle.pdf/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)