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in die G. B. bedeutsam für die offenbar schon damals hervorragende Stellung des Ostreichs, das Karl um Böhmen als Mittelpunkt sich gebildet hatte, und nur zu erklären von einem Gesichtspunkte aus, der Böhmen zum Centralpunkte des ganzen Reiches und damit Böhmens Herrscher für immer zu Deutschlands Königen machen wollte.

Ganz anders aber traten uns böhmische Interessen in der zweiten grossen Gruppe[1] der Urkunden entgegen, welche die Sonderstellung der Kurfürsten mit Immunitäten u. a. betreffen. Man könnte eine grosse Gruppe dieser Capitel wohl direkt als „böhmische Urkunden“ bezeichnen. Gleich die erste Urkunde,[2] der wir uns hierbei zuwenden, ist die Gewährung eines Privilegs an Böhmen allein. Es ist das Privilegium de non evocando und de non appellando. Nerger[3] sagt mit Recht, dass diese Urkunde als Bestätigung althergebrachten Rechtes gefasst ist. Aber was bedeutet das mehr, als dass mit dem Hinweis auf das Alter des Rechtes dieses in erhöhter Wichtigkeit bestehen sollte! Dass Karl IV. es für nötig hielt, das Gesetz für Böhmen allein in die G. B. einzufügen und zwar in einer so vollständigen und ausgeprägten Urkundenform, beweisst wohl, dass das Gesetz nicht schon allgemein durchgeführt und anerkannt war, sondern gerade durch die Aufnahme in ein so wichtiges Reichsgesetzbuch wie die G. B. erst rechte Geltung erhalten sollte.[4] Und in der That war es ein stark einschneidendes Privileg, das Karl damit erhalten hatte, und die Sorge, die Karl seiner Durchführung angedeihen liess, beweist seine Wichtigkeit für ihn. Niemand aus Böhmen und den dazu gehörigen Nebenländern darf vor ein fremdes Gericht gezogen werden, noch darf er von den einheimischen Gerichten an ein fremdes appellieren. Karl war der einzige, der auch vor allem das Appellationsverbot

  1. S. die Einteilung S. 10, II.
  2. Cap. 8 der G. B.
  3. S. Nerger: a. a. O. S. 45.
  4. Ueber die Entwicklung des böhmischen Rechtes und die böhmischen Privilegien von früheren Kaisern, vergl. Bachmann: Lehrbuch der österreichischen Reichsgeschichte (Prag 1895) 148—202 und Luschin von Ebengreuth: Reichsgeschichte Oestreichs 1896.
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Oscar Hahn: Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV.. Breslau, 1902, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hahn_Ursprung_und_Bedeutung_der_Goldenen_Bulle.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)