89. Er cassirt auch in Civilsachen die Sprüche der untern Gerichte, welche gegen die Competenz, die vorgeschriebenen Formen und den Sinn der Gesetze ertheilt worden sind.
90. Der obere Gerichtshofs soll einstweilen in der nämlichen Gemeinde seine Sitzungen halten, wo die gesetzgebenden Räthe und das Vollziehungs-Directorium ihren Sitz haben.
Die gesetzgebenden Räthe können den Sitzungsort desselben ändern, insofern das Vollziehungs-Directorium den Vorschlag hierzu macht.
91. Es soll in Friedenszeiten ein besoldetes Truppencorps gehalten werden, welches durch freiwillige Anwerbung und im Fall des Bedürfnisses auf die durch das Gesetz bestimmte Art errichtet werden soll.
92. Es soll in jedem Canton ein Corps von auserlesenen Milizen oder Nationalgarden bestehen, welche allezeit marschfertig sein werden, entweder um der gesetzlichen Obrigkeit Hülfe zu leisten oder einen ersten Angriff von Außen zurückzuweisen.
93. Jede Anklage wegen Staatsverbrechen, wegen Dienstfrevel, Veruntreuung, directer oder indirecter Bestechung, gehört vor den Gerichtshof des Ortes, wo das Verbrechen begangen worden, oder, wenn dieser Ort nicht angegeben ist, vor den Gerichtshof des Ortes, wo der Hauptbeklagte seine gewöhnliche Wohnung hat. Dieser Gerichtshof untersucht vor allem, ob der Fall einer Anklage stattfinde; in diesem Fall beruft er seine Suppleanten zu sich und macht mit ihnen einen peinlichen Gerichtshof in erster Instanz aus.
94. Wenn durch den Verurtheilten oder durch den öffentlichen Ankläger an den obern Gerichtshof appelirt wird, so soll dieser wie das untere Gericht verfahren und das Endurtheil nicht anders als mit Zuziehung seiner Suppleanten aussprechen.
: Erste Helvetische Verfassung. , Paris / Basel / Aarau 1798 - 1803, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HV_01_582.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)