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Besonders hat sie die Ehre, daß auf dem dasigen Römer, nach Inhalt der güldenen Bulle, die Römischen Könige und Kayser erwehlet, zuweilen auch nach bewandten Umständen allda gecrönet werden. Dieses ist nur im Jahr 1711. mit dem verstorbenen Kayser Carl VI, wie auch im Jahr 1742. mit dem letzt verstorbenen Kayser Carl VII. geschehen. Ausserdem ist sie eine der vornehmsten freyen Reichs-Städte, und zugleich eine in Francken ausschreibende Stadt, welche zum Ober-Rheinischen Kreisse gerechnet wird, und ihren Sitz und Stimme auf den Reichs-Tägen hat. Auch ist sie nebst Nürnberg, Augspurg und Leipzig eine von den 4. Lege-Städten in Deutschland, weil die von den Reichs-Ständen bewilligten Römer-Monathe von den benachbarten Kreissen dahin geliefert, und von den Räthen selbiger Städte gegen Quittungen empfangen, hernach aber von diesen weiter zu des Reichs Angelegenheiten ausgezahlet werden müssen. Anbey ist sie eine weit berühmte Handels-Stadt. Stephanus nennt sie dahero totius Orbis Emporiorum compendium, das ist, einen kurtzen Inbegriff von allen Handels-Städten in der gantzen Welt. Uber dieses kan der Kayser und das Reich weder sie, noch ihre Zugehörungen, jemahls verpfänden. Weiter ist auch keinem erlaubet, in ihrem Bezirck auf etliche Meilen weit eine Festung oder sonst etwas dergleichen anzulegen, oder die dasigen Bürger mit neuen Zöllen zu beschweren; da hingegen dem dortigen Rathe frey stehet, Warten, Castelle, Schantzen und Schlag-Bäume aufzurichten. Ferner können sich die Bürger nur alleine daselbst Güter ankauffen, welches sonst niemanden von geist- und weltlichen hohen und niedern Personen frey stehet. Nicht weniger ist die Stadt wegen ihrer Messen im Kayserlichen und des Reichs sonderbaren Schutz, und des Geleites halber, wie auch der Acht und Ober-Acht wegen, wohl privilegiret. Die dasigen Bürger können auch vor keine fremde Gerichte gezogen werden, und der Rath ist in vielen Stücken inappellable. Vor Zeiten, und zwar im Jahr 1495. wurde allda vom Kayser Maximiliano I. das Kayserliche und Reichs-Cammer-Gerichte gehalten. Es war auch an dem, daß bey letzt entstandenen Frantzösischen Unruhen, als auf dem Reichstage von Verlegung dieses hohen Gerichtes an einen sichern Ort die Rede vorfiel, dasselbe wieder dahin solle verleget werden, wo nicht die Stadt selbst nach Anführung vieler gründlichen Ursachen solches von sich abgelehnet hätte. Hingegen hat sie bey Verwüstung der Stadt Speyer diesem hohen Tribunal auf einige Jahre den Aufenthalt bey ihr gutwillig gegönnet. Während ihrer Messen, davon jede 3. Wochen dauert, stehen die daselbst anwesende Fremden und Kauffleute in des Kaysers sonderbahren Schutz und Schirm. Es ist alsdenn auch jedem Einwohner, der Hauß und Hof besitzet, ohne einigen Widerspruch erlaubet, die Fremden in sein Quartier aufzunehmen und zu beherbergen. Ausser diesen gemeldeten 2. Messen hat die Stadt auch noch 2. grosse Vieh-Märckte, nehmlich einen Ochsen-Marckt u. einen Schwein-Marckt. Der erste fänget sich auf St. Galli an. Und endiget sich auf Martini; alsdenn nimmt der Schwein-Marckt seinen Anfang, und währet bis Fastnachten. Kurtz vor der Herbstmesse und zwar den ersten Gerichtstag nach Mariä Geburt und eingeholtem Geleite wird das Pfeiffer-Gericht, altem Gebrauch nach, aufgeführet. Den Nahmen hat es daher, weil die drey Städte Nürnberg, Worms und die alte Stadt Bamberg, alsdenn bey sitzenden Gerichte, vor des H. R. Reichs- und der Stadt Gerichts-Schultheissen, zu dessen Amt es von Alters her gehöret, wegen ihrer allda habenden Zoll- und anderer Freyheiten mit Beywohnung einiger Pfeiffer, Notarien und Zeugen, eine nach der andern, wieder Anspruch thun müssen. Zur Erkenntlichkeit für diese Freyheiten und Gerechtsamen liefern obgemeldete drey Städte, und zwar jede insbesondere, dem Herrn Schultheissen und der gegenwärtigen Rathsversammlung einen weissen höltzernen gedrehten Becher voll Pfefferkörner ein, worauf ein weisses gedrehtes Stäbgen, ein paar schlechte weisse lederne Handschuhe, und eine alte Müntze, ein Röder-Albus oder Weißpfenning liegen. Uber die benahmte Stücke giebt die Stadt Worms hoch einen alten Filtzhut, und zwey Goldgülden, jedoch dergestalt, daß mit dem einen Goldgülden der alte Filtzhut wieder ausgelöset wird. Besagtes Worms überliefert die Geschencke zuerst, die alte Stadt Bamberg nach ihr, und Nürnberg zuletzt. Oberzehlte Verehrungen verbleiben dem Reichs-Schultheissen. Die Stadt Nürnberg unterhält die Pfeiffer allein, die andern Städte aber geben derselben jährlich etwas gewisses. Vor Zeiten hat jede Stadt ihre eigenen Pfeiffer gehabt. Während dieses Pfeiffer-Gerichtes werden einige vorhero bey Schultz und Schöppen in allerhand Streitsachen abgefaßte Urtheile verlesen und bekannt gemacht. Nicht weniger ist auch dieses ein sonderbarer Vorzug, als zu betrachten, den die Römischen Könige und Kayser dieser Stadt vor andern ertheilet haben, daß nehmlich die Fechtmeister in dasigen beyden Messen, und sonst nirgends, Gewalt haben sollen, die Marxbrüder unter den Kunstfechtern, gleichwie die Federfechter zu Prag, zu Meistern des langen Schwerdts zu machen. Dieser Gerechtigkeit wollen einige Schrifftsteller widersprechen, und Zeiler in seiner Topographie vom Hessenlande (g) saget daher, daß die Freyfechter bey dem Rathe der Stadt Franckfurt solches Privilegium, welches von den Kaysern bestätiget worden, nur hinterlegt und zur Verwahrung gegeben hätten. Der Herr von Lernsner in seiner Franckfurter Chronick hält dafür, es könnten die in diesem Stücke einander widersprechende Schrifftsteller gar leichtlich vereiniget werden, wenn dieses Privilegium nur auf die Marxbrüder, und nicht zugleich auf die Federfechter ausgedeutet würde. Ein fernerer Vorzug ist es, daß sie die Müntz-Freyheit besitzet. Denn vor alten Zeiten hatten die Städte gar kein Recht Müntzen zu schlagen, sondern es waren nur alte vornehme Geschlechter in denselben, welche im Nahmen des Kaysers solches Recht ausübeten. Hierzu bekamen sie gewisse Freyheiten, ingleichen ein eigenes Müntz-Hauß, und die Befreyung von allen Auflagen. Solchergestalt wohnete vor vielen Jahren eine Familie in dieser Stadt mit Nahmen Heller, welche das Recht Creutz-Heller zu müntzen schon lange vorher ausübeten, ehe noch die Stadt solches verlangte. Ausserdem sind auch die zwey Müntzer, Jacob von Knoblauch und Siegfried zum Paradieß, gnugsam bekannt; unter denen der erste die Freyheit hatte, Turnosen (welches eine Müntze, von welcher 54. einen Gulden, und 40. Kreutzer ausmachen) zu schlagen. Endlich, und zwar im Jahr 1144. überließ der Kayser Ludwig die Müntz-Gerechtigkeit der Stadt Franckfurt selbst. Im Jahr 1428. begnadigte sie Kayser Sigismund damit, daß sie silberne Müntzern, als Turnus, Pfennige etc. schlagen möchte. Und in dem folgenden Jahre durffte sie mit gnädiger Erlaubniß der letztverstorbenen Kayser auch güldene Müntzen verfertigen lassen. Unter andern Vorzügen hat auch der ehemahls zu Fanckfurt im besten Flor gestandene Buchhandel diese Stadt vor allen andern Städten in Europa in ein sonderbahres Ansehn gesetzet, wie solches Ludwig von Hornik mit folgendem bezeuget:

Quatuor haec reddunt Francfurtum nobile:
Libri Cum Posta, Electus Caesar et Imperium.

Heinrich Stephanus betittelt daher diese Stadt Musaeum, ingleichen nundinantem Academiam, wie auch das Franckfurtische Athen. Zumahl da die Buchhändler aus fernen Königreichen, Ländern und Städten, als aus Schweden, Dänemarck und Preussen, Pommern, aus der Marck Brandenburg, aus Schlesien, Ober- und Nieder-Sachsen, aus Holland, Engelland, Brabant, Franckreich, Italien und der Schweitz, zu geschweigen aus den näher anliegenden Ländern, als aus dem Elsaß, aus Schwaben, Würtenberg, Francken, Bayern etc. vornehmlich dasige Oster-Messe häuffig besuchten, und viele tausend Centner Bücher mit sich von dannen hinweg nahmen. Es hat auch von den vielen dasigen Buchläden diejenige gantze Gasse,

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verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1823–1824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1823.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2024)