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nackendes gemahltes Knäblein auf einem Tische mit vielen Wundem worinnen 9. Schuster-Pfriemen stecken, und darunter stehen diese Worte:

Au weih Rabbi: Anschel: au, au.
Mauschi au weih, au, au.

Weiter sitzet unter dieser Schrifft ein alter Jude, mit dem Schabbes-Deckel auf dem Kopff, mit einer Brille auf der Nasen, und einen Kragen und Mantel anhabend, rückwärts auf einem grossen Schwein, und hält den in die Höhe gezogenen Schwantz statt eines Zaums in der rechten Hand. Unter diesem Schwein liegt ein junger Jude, der an den Zitzen saugt, hinter der Sau kniet ein anderer alter Jude, welchem die Sau ihren Urin und übrigen Unflath in das Maul lauffen läst. Hinter diesem Juden erscheint der Satan mit grossen Hörnern, und hält ihn an beyden Achseln. Am Kopff des Schweins steht eine Jüdin, die das Gesichte nach dem Teufel zuwendet, in ihrem völligen Staat, nehmlich mit dem eckichten Schleyer, Krausen, Kragen am Halse, und einem Mäntelchen. Diese hält die Hörner eines grossen Bockes. Alle Personen, auch der Teufel selbst, hat das gelbe Ringelgen, als das Juden-Zeichen, an sich. Als der Brücken-Thurm im Jahre 1677. erneuert wurde, wollten die Juden viel Geld geben, wenn man dieses Gemählde gäntzlich weglöschte; sie haben es aber nicht erhalten können, und es stehet solches zu ihrer grösten Aergerniß und Verdruß noch diese Stunde am besagten Orte. Gleich darneben siehet man die Creutzigung Christi, mit Hebräischer, Griechischer und Lateinischer Uberschrifft, diese ist im Jahr 1392. gemahlet, und in den Jahren 1462, 1507, 1609, 1677, und 1709. renoviret worden. Von diesem Gemählde verfügen wir uns nach der Stadt-Waage, und nach dem gleich darneben stehenden Leinwand-Hause. An diesem letztern, aussen am Eingange, an der Mauer, sind drey eiserne Franckfurter Ellen, und zwar zu dem Ende an einen Stein angemacht, daß man allezeit das rechte Maaß von dasiger Elle haben, und andere darnach untersuchen kan. Anbey ist zu mercken, daß daselbst keine Meß-Ellen von Ellern- oder Weydenholtz gelitten werden, weil dieselben, wenn sie trocken werden, gemeiniglich schwinden und sich zurück stossen. Damit auch bey den Krämern kein Unterschleiff in diesem Stück vorgehe, so werden ihre Ellen alle Jahre von E. E. Rath gemessen, und mit einem Adler oben und unten bezeichnet. Der Waagbalcken in obenerwehnter Stadt-Waage ist im Jahr 1442. zu Venedig gemacht worden, und kostet 14. Pfund, 13. ß. 3. Heller. Nunmehro gehen wir weiter, und zwar nach dem Brunnen an der guldenen Birne, so der Faulbrunnen oder die Faulpumpe genannt wird. Dessen Wasser riecht fast wie faule Eyer, und hat einen faulen Geschmack. Inzwischen wird dasselbe von den Leuten so wohl für Gesunde, als auch für Krancke, häuffig gehohlet; anerwogen dasselbe sehr gesund seyn soll, und daher den Patienten in ihren Kranckheiten von den Aertzten öffters zu trincken verordnet wird. Von dieser Faulpumpe gehen wir auf die grosse Galgengasse nach des Herrn Hassels, eines Reformirten Handelsmanns, vormahls Herrn Campoins Behausung, und nehmen die allda in dessen Garten stehende grosse Haselstaude in Augenschein. Ihre Höhe und Breite übertrifft die grösten und stärcksten Eich-Bäume, immassen sie aufwärts 87. Werck-Schuhe, und zwar von dem Stamm bis an die Aeste 36. von den Aesten bis an die Spitze 51. Werck-Schuhe beträgt. Die Dicke unten bey der Erde ist in der Rundung 5. und eine halbe Franckfurter Elle, und so dick, als sonst 4. Mann sind. Unter dieser verwundernswürdigen Hasel-Staude hat Kayser Leopoldus glorwürdigsten Andenckens im Jahr 1651. etliche mahl Tafel gehalten, wie solches an einem Stein, so unter dem Baum liegt, eingehauen stehet. Gleichwohl beginnet dieselbe Alters halben allmählig abzunehmen. Vor wenig Jahren muste deswegen ein grosser Ast davon abgehauen werden, gleichwohl verdienet sie auch noch, daß man sie in Augenschein nimmt. Aus diesem Garten und von erwehnten Baum spatzieren wir zum Galgen-Thor hinaus durch die schöne Allée, so im Jahr 1705. von dem Herrn Schöppen Barthels angeleget worden, und nunmehro einen angenehmen Spatzier-Gang abgiebet. Gehen wir vollends zum Thore hinaus, so kommen wir zu dem ohnweit der Stadt am Mayn gelegenen seltsamen Brunnen, der Schwefel- oder auch der Grind-Brunnen genannt. Dieser heilet den Grind, und säubert das scorbutische und unreine Geblüte. Es ist gleichfalls eines etwas faulichten, doch nicht gar zu unangenehmen Geschmacks, jedoch überaus widerwärtigen Geruchs. Sein Wasser hat die Farbe einer Seiffen-Brühe, oder als wenn man darinnen gewaschen hätte. Im Sommer des 1691. Jahres kam dieser Brunnen in sehr grossen Ruff, weil dessen Wasser einem gewissen Bürger, der mit Engbrüstigkeit behafftet gewesen war, geholffen hatte. Daher liessen sich viele Leute verleiten, die Cur in demselben zu trincken, welche aber den meisten Brunnen-Gästen so übel bekam, daß in wenig Wochen bey 20. Personen davon sturben. Ob nun wohl viele dafür hielten, daß nicht so wohl das Wasser, als vielmehr der Cur-Gäste dabey beobachtete üble Diaet, an ihrem Tode Schuld gewesen, nichts destoweniger verlohr dieser Brunnen seinen Credit um ein ziemliches, zumahlen da auf böser Leute Anstifften u. zwar der Einwohner der nahe gelegenen Sauerbrunnen, welche sich dadurch eines Abbruchs befürchteten, etwas von einem todten Aaß war hinein geworffen worden. Hierauf wollte niemand die Cur weiter darinnen trincken. Gleich vor dem Friedberger- oder Neuen-Thor liegt der so genannte schwartze Herrmanns-Brunnen, der ein solch gesundes Wasser hat, daß es nicht allein die nahe bey dem Thor herum wohnende Einwohner häuffig in die Stadt langen lassen, sondern es pflegen solches auch wohl krancke Personen zu trincken. Nebst diesen giebt es in selbiger Gegend noch viele andere gute Brunnen mehr, als da ist am See-Hof der kühle Vers-Brunnen, wiederum einer an der Sau-Steg, und zwey im Nieder-Roder-Wäldgen und an andern nahe gelegenen Orten. Was die Verfassung des dasigen Stadt-Regiments anbelanget, so bestehet der Rath in 43. Personen, und wird in drey Bäncke eingetheilet. Auf der ersten Banck befinden sich nebst dem Reichs-Stadt Schultheiß 15. Personen, so Schöppen genennet werden. Mitten unter denselben dem Range nach sitzen die 4. Syndici. Diese sind meistentheils aus dem Geschlechte des alten Hauses Limburg. Die andere Banck bestehet aus 14. Personen, und wird mit einigen alten Geschlechtern, Gelehrten, vornehmen Kauffleuten, und denen besetzet, welche in dem Frauenstein zusammen kommen. Endlich die dritte Banck bestehet gleichfalls aus 14. Personen, die aus den übrigen Bürgern und etlilichen Rathsfähigen Zünfften und Handwerckern genommen werden. Wie sich denn ein Theil der Handwercker bereits vom Jahr 1616. her, wegen eines gefährlichen Aufstandes aller Ansprüche zum Regiment hat begeben müssen. Alle Jahre kurtz vor dem neuen Jahre werden 2. neue Bürgermeister erkieset, worunter der Aeltere von der ersten, und der andere, als der Jüngere, von der zweyten Banck genommen wird. Gehet ein Raths-Herr von der ersten Banck mit Tode ab, so wird dessen Stelle mit einem von der zweyten wieder ersetzet. Der Stadt Fracnkfurt Anschlag zum einfachen Römer-Monath sind 20. zu Pferde, und 140. zu Fuß, oder an Geld 800. Gulden, zum Kammer-Gerichte aber 250. Gulden. Im Wappen führet sie einen weissen oder silbernen Adler mit einer blauen Zunge, einer gelben oder güldenen Crone und Füssen, wie auch mit einem halben gelben Zirckel, in den Flügeln und einem F. auf der Brust, im rothen Felde. Ihre beyden weit und breit berühmten Messen fallen, die erste, als die Oster-Messe, auf den Oster-Dienstag, und die zweyte, als die Herbst-Messe, auf Mariä Geburt. Hierbey ist zu mercken, fällt Mariä-Geburt auf einen Montag, Dienstag oder Mittwoch, so gehet sie den Sonntag zuvor an; fällt es aber auf den Donnerstag, Freytag oder Sonnabend, so nimmt sie den Sonntag hernach ihren Anfang; ferner fällt sie auf einen Sonntag, so gehet die Messe selbigen Tag an. Franckfurt liegt unter dem 50. Gr. 2. Minuten der Breite, und 29. Gr. 44. Min. der Länge. Sonst hat diese Stadt grosse Freyheiten, die sie von Kayser Carl IV. mit 20000. Marck Silber wiederum hat lösen müssen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1821–1822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1821.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2024)