Seite:HPGAtlas 04 1819.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

von diesem Original der güldenen Bulle, daß kein Diphtongus darinnen befindlich, welches doch sonst die älteste Schreib-Art der Lateiner gewesen, und auch noch heut zu Tage bey einigen Gelehrten üblich ist. Bey dem Lateinischen Original liegt in dem Lädgen auch ein deutsches in roth Pergament eingebundenes Exemplar von 35. Blättern, auch auf Pergament mit kleiner Mönchs-Schrifft geschrieben. An diesem aber hängt kein Insiegel, es hat auch niemahlen dergleichen, so viel man weiß, daran gehangen. Den Nahmen führet sie von der daran hangenden Kapsel, welches Wort nach der alten deutschen Mund-Art eine Bulle genennet wird. Es ist diese an 24. gelben und eben so viel schwartzen seidenen Fäden herab hangende Bulle oder Kapsel rundt, und von gediegenem Golde, so dick als ein doppelter Joachims-Thaler. Auf dessen einer Seite stehet das Bildniß Caroli IV. im Kayserlichen Habit sitzend, mit der Crone auf dem Haupte, in der Rechten den Scepter, in der Lincken aber die Welt-Kugel mit einem Creutz haltend. Dem Kayser zur Rechten in einem Schildgen stehet ein einfacher Adler, zur Lincken ein Löwe mit einem doppelten Schweiffe. Auf dem Rande um des Kaysers Bildniß herum stehen diese Worte, mit dem selbiger Zeit gewöhnlichen grossen Buchstaben: CAROLVS. QVARTVS. DIVINA. FAVENTE. CLEMENCIA. ROMANORVM. IMPERATOR. SEMPER. AVGVSTVS. ET. BOEMIE. REX. Auf der andern Seite dieser Bulle oder des Siegels erblickt man die Form einer Burg mit 3. Thürmen, welche, wie einige wollen, die Stadt Rom, oder nach anderer Meynung, das dasige Capitolium bedeuten soll. In der Mitte besagter 3. Thürme sieht man unten eine offene Pforte, worinnen diese 2. Worte Aurea Roma in dieser Ordnung zu lesen sind:

A V R
E A R
O M A

Um den Rand herum lieset man den lateinischen Vers:
ROMA. CAPUT. MUNDI. REGIT. ORBIS
FRENA. ROTVNDI.
Weil die seidenen Fäden, welche durch alle Blätter gezogen, und womit die güldene Bulle zusammen gefüget ist, Alters wegen dünne und unhaltbar worden waren, so wurden an deren Stelle im Jahre 1642. von dem Chur-Mayntzischen Abgesandten, in Beyseyn der dazu abgeordneten Herren des Rathes und zweyer Syndicorum mit Zuziehung zweyer Notarien und 4. Zeugen andere seidene Faden hineingezogen. Dergleichen im Jahre 1710. den 5. Febr. abermahls mit ebenmäßigen Umständen geschehen ist. Es ist diese güldene Bulle im Jahre 1356. zu Nürnberg von Kayser Carl IV. mit Genehmhaltung aller allda versammleten Reichs-Stände abgefasset, und nachgehends publiciret worden. Einige Geschicht-Schreiber sind sonst der Meinung gewesen, als wäre solche Bulle zu Metz abgefasset worden, jedoch es beweiset Herr Thulemeyer, daß die 23. erstern darinnen befindlichen Capitel zu Nürnberg in gedachtem Jahre, wie gemeldet, aufgesetzet und bekandt gemacht; die nachfolgenden und übrigen aber, vom 24. Capitel an bis zu Ende, in eben dem Jahre zu Metz verfertiget, wie auch allda promulgiret und publiciret worden seyn. Das Absehen bey Errichtung der güldenen Bulle gieng dahin, daß alles, was in derselbigen enthalten ist, ein ewiges u. unwiederrufliches Gesetz seyn solle. Gleichwohl hat man nachgehends, sonderlich vermittelst des Westphälischen Friedens, ein und anders darinnen geändert. Vornehmlich wird darinnen abgehandelt, auf was Weise die Wahl eines Römischen Kaysers oder Königes, welcher allda zum öfftern das weltliche Haupt der Christlichen Welt genennet wird, geschehen solle. So wird auch verschiedenes, vermittelst derselben angeordnet, so den Rang, die Zusammenkünffte, Rechte und Freyheiten der Churfürsten, und dann ferner die Nachfolge in der Chur-Würde, auch die bey Kayser- und Königlichen Crönungen ihnen obliegende Aemter betrifft: Ingleichen, daß die Fürsten und Stände alle Jahre einmahl zusammen kommen und des Reiches Bestes beobachten sollen. Vermöge dieser Bulle muß der Römische Kayser in Frankfurt, weil diese darinnen zur Wahlstadt gesetzet wird, erwehlet werden. Wenn aber Krieg oder Pest dieses verhindern, so bekommt die Stadt dieserwegen ihre Reversalien, daß es ihr und ihren Freyheiten nicht zum Nachtheil gereichen solle. Wie dieses an Heinrich II, der zu Mayntz, und an Heinrich III, der zu Aachen, ingleichen an einigen andern, so zu Cölln, Augspurg u. Regenspurg erwehlet worden, deutlich erhellet. Ferner ist in dieser Bulle ausdrücklich versehen worden, daß der neu-erwählte Kayser zu Aachen gecrönet werden solle, welches aber schon lange Zeit her nicht so genau ist beobachtet worden; wie nicht weniger auch dieses, daß ein jeder von den Churfürsten zur Wahlzeit über 200. Mann zu seinem gantzen Gefolge nicht bey sich haben möge. Es muß auch die Bürgerschafft vermöge derselben an dem Wahltage alle Fremden aus der Stadt schaffen, bey Verlust aller ihrer Privilegien. Uberhaupt sind noch viele andere dergleichen Verordnungen mehr in der güldenen Bulle enthalten, welche alle zu erzehlen, gar zu langweilig fallen dürffte. Letzlich ist noch von dem Römer zu wissen, daß die Juden diejenige Seite des Römerberges, oder des Platzes vor dem Rathhause, auf welcher der Römer stehet, ohne erhebliche Ursache, bey Straffe nicht betreten dürffen; es sey denn, daß der Jude das Gewürtze zum Neu-Jahrs-Geschencke für E. E. Rath überbringe, zu der Zeit darff er den geraden Weg über den Römerberg (ehedessen der Samstagsberg genannt) in das Rathhaus hinein und auch wieder heraus gehen. Zu anderer Zeit aber stehet ihnen nur die hintere Römer-Thüre zum Ein- und Ausgang offen. Nach dem Römer oder Rathhause ist das Hauß zum Frauenstein sehenswürdig, so sonst das grosse Braunfelß genennet wird. In diesem pfleget der neuerwehlte Kayser zu wohnen. Unten ist ein Zimmer, worinnen oder vor welchen die Kaufleute alle Mittage zusammen kommen, und ihre Börse halten. In den 3. Zeughäusern dieser Stadt trifft man viel schönes und mancherley Geschütz an. Uber der Thür des vornehmsten darunter stehen diese Verse:

Viel besser ist ein gewisser Fried,
Denn das man hofft auf künfftgen Sieg.
Felix haec Urbs est, quae Pacis tempore bellum
Ante Oculos ponit et quae nocitura notat.

     Auf Deutsch:
Glückseelig ist die Stadt, wo man zur Friedens-Zeit, Auch an den Krieg gedenckt, und sich darzu bereit. Nach diesen ist zu sehen der Saal-Hoff, der neuerbaute Fürstl. Taxische Pallast, der Frohnhoff, das nach Mayntz gehörige Compostell, das deutsche Hauß in Sachsenhausen, so schon im Jahr 1200. gestifftet worden, und die darinnen befindliche Kirche zu U. L. Fr. in welcher der hohe Altar auf Marmor-Art neu und sauber erbauet ist; desgleichen die dasige zu Ehren der Heil. Anna gestifftete Capelle, wie auch auf dem Kirchhofe die kleine St. Elisabeth-Capelle. Man findet in dem grossen Saale der Commenthur-Herren das in Lebensgrösse gemahlte Bildniß eines Trabantens, Nahmens Ponet, dessen Länge 8. Schuh 7. Zoll gewesen. Die Stadt-Waage, die neue Haupt-Wache, und viele andere ansehnliche Gebäude mehr, sind sehenswürdig. Die Privat-Häuser sind mehrentheils nur von Holtz gebauet, und man siehet viele darunter, die Fresen oder auf Kalck gemahlet sind. Uberhaupt sind sie alle mit Schiefersteinen gedecket. Der Stadt-Thore sind 5, als das Allerheiligen-Thor, das neue oder Friedberger-Thor, das Eschenheimer-Thor, das Bockenheimer-Thor und das Galgen-Thor. Nach dem Mayn zu sind verschiedene Pforten, als die St. Leonhards-Pforte, das Holtz-Pförtgen, Fahrthor, Heil. Geist Pförtgen, Metzger-Thor, und das Fischer-Thörgen, worunter das Fahrthor die vornehmste ist. Sachsenhausen hat zwey Thore, nehmlich das Affen-Thor und das Schaumayn-Thor. Als besondere Merckwürdigkeiten der Stadt Franckfurt betrachtet man das unter dem Brücken-Thurm lincker Hand, wenn man nach Sachsenhausen gehen will, an der Mauer stehende Gemählde, worüber folgende Schrifft zu lesen: 1275, am grünen Donnerstage marterten die Juden ein Knäblein, Simon genannt, seines Alters zwey und ein halb Jahr. Unter dieser Schrifft liegt ein

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1819–1820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1819.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)