Seite:HPGAtlas 04 1817.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

tragen. Gleichwohl haben sie diese Gewohnheit nach dem ersten grossen Brande in ihrer Gasse, als sie nach der Zeit eine Weile unter den Christen wohnen müssen, wieder fahren lassen. Ob es nun wohl verschiedene ansehnliche und wohlhabende Handels-Juden darunter giebt, so nennet sie doch Misson in seiner Reise nach Italien (c) nur arme Teufel, die gar schlechte Sprünge machen könnten. Im Jahr 1711, den 14. Jan. brandte ihnen ihre Gasse mit Stumpff und Stiel hinweg, und zwar dergestallt, daß auch nicht ein eintziges, welches gewiß zu verwundern ist, von so vielen Häusern, ja nicht einmahl ein Stück Holtz eines Armes lang übrig geblieben. Bedencklich war dabey, daß, als die eine Seite oder Helffte der Gasse abgebrannt war, der Wind sich nachgehends drehete, gleichsam als habe er das seinige verrichtet, und wolle nunmehro dasjenige, wozu er gesandt sey, ferner bewerkstelligen; massen denn auch dadurch der andere und grössere Theil der Gasse gleichfalls vom Feuer ergriffen, und eingeäschert wurde. Das Feuer ist fast mitten in der Gasse in des Rabbinen Naphtali, als ihres vornehmsten Lehrers, Hause ausgekommen. Man hat vor eine gewisse Wahrheit erzehlen wollen, daß besagter Rabbine, der sonst ein guter Cabbalist gewesen, als er seinen untergebenen Schülern die Cabbale lehren wollen, und ihnen zur Probe einen grossen Hauffen Holtz in seiner Stube angezündet habe, in seiner Beschwörung der Geister irre geworden sey, und an statt die Wasser-Geister zu beschweren, das von ihm angezündete Feuer zu löschen, die Feuer-Geister gefordert habe. Weswegen gantz vergeblich gewesen wäre, auch das geringste Jüdische Gebäude zu retten. Sonst ist dieses auch noch von diesem Juden-Brande merckwürdig, daß von den vielen nahe dabey befindlichen Christen-Häusern, nicht ein eintziges versehret worden. Ein fast eben dergleichen Unglück betraff diese Juden-Gasse abermahls im Jahr 1721, im Januario, vermittelst dessen 111. Häuser in die Asche verfielen. Unter den weltlichen Gebäuden betrachtet man das dasige Rathhauß, sonst der Römer genannt. Den Nahmen Römer hat es von Hans und Kuntz zum Römer, Kölner von Münzenberg benahmet, denen das Hauß, welches zwischen dem jenseits gelegenen Hause zum Lünburg und dem anderseits liegenden Hause zum Löwenstein, inne lieget, zuständig gewesen, und von ihnen dem Rath zum Rathhause verehret worden. Die dasige Kayserliche Wahlstube ist vorjetzo sehr prächtig, und schön renoviret, auch herrlich austapeziret. Zu diesem Zimmer gelanget man vermittelst einer besondern schmalen Stiege, welche, dem Barfüsser Creutz-Gange gerad gegen über, von der Strasse nach denjenigen mit Steinen gepflasterten und mit vielen künstlichen Gemählden gezierten Saal führet, wo sich das neuerbaute treffliche mit einer gleichfalls schön gemahlten und mit sinnreichen Aufschrifften vergesellschaffteten Kupel versehene Rundel, und gerade der Thüre desselben Zimmers, über welcher eine artig angebrachte Uhr stehet, gegen über, das Consistorium befindet. Doch kan man auch forne von dem Römerberge, als durch den Haupt-Eingang über den grossen Saal, auf dem alle Kayserliche Brust-Bilder, nebst ihren Nahmen stehen, und Messenszeit das Pfeiffer-Gerichte gehalten wird, durch eine andere doppelt verwahrte Thüre hinein gelangen. Denn es hat selbiges deren eigentlich fünffe, als zwey oben zu beyden Seiten der vier hohen Fenster, so wegen der nicht sonderlich grossen Breite des Zimmers, ziemlich nahe beysammen sind, worunter sich zur Lincken letzterwehnte befindet; zwey aber unten bey den beyden mit herrlichen Porcellainen Aufsätzen gezierten Oefen, und eine zwischen diesen beyden, den Fenstern gegen über; doch sind nur zwey davon, als nemlich diejenigen, wodurch man aus dem grossen erwehnten Saal, und wo man, wie oben gedacht, dem Consistorio gegen über hinein gehen kan, als würckliche doppelte mit zwey Flügeln versehene Eingänge zu betrachten; weil die übrigen dreye, um mit diesen beyden in dem Zimmer eine Gleichheit vorzustellen, nur blind und eigentlich als blosse Schrancken angeleget sind, wodurch keine Oeffnung ist. Kommt man zu derjenigen hinein, vor welcher das schöne Rundel ist, und worüber auswendig die Uhr stehet, so erblicket man beym Eintritte neben sich zu beyden Seiten die erwehnten zwey schönen Porcellainen Oefen, ingleichen im Fortgehen 10. mit doppelten Röhren, worein man die Lichter stecket, versehene massiv-silberne Leuchter, in Form eines doppelten Adlers, und zwar deren auf jeder Seite viere; unter jedem aber einen Carmosin rothen Damastenen, und mit noch einem besondern rothen leinenen Uberzuge, dieselben vor dem Staube zu verwahren, versehenen Nußbaumenen Lehnsessel, darzwischen auf jeder ein kleines ovales vieleckigtes Tischgen, dessen Blatt von bundten Marmor, und das Gestell von schöner Bildhauer-Arbeit und kostbar verguldet ist. Uber dem zur Rechten zeiget sich des verstorbenen Kaysers Carl VI. Majestät in Lebens-Grösse, wie sie ein Wiener künstlicher Mahler nach dem Leben und mit vieler Aehnlichkeit abgeschildert hat, in einem starck verguldeten Rahmen; über dem zur Lincken aber, ein eben so grosser trefflicher Spiegel in einem ebenfalls starck verguldeten und mit Bildhauer-Arbeit gezierten Rahmen. Gerade vor sich erblicket man die vier grossen Fenster mit Carmoisin-Damastenen Vorhängen. Wie denn die Wände dieses Zimmers durchgehends von dem dasigen Tapezierer Richter mit Tapeten von eben dergleichen Stoff und mit seidenen Borten von eben der Farbe besetzet, beschlagen sind. Uber jeder der fünff Thüren, vor denen sich ebenfalls Carmoisin-Damastene Guardinen befinden, stehet ein Sinnbild, nebst einer sinnreichen Uberschrifft, so auf die Glückseeligkeit einer wohl angeordneten Regierung abzielen. Der Fuß-Boden ist mit künstlicher Schreiner-Arbeit gezieret, und mit Nußbäumenen, wie auch andern köstlichen Holtze ausgeleget. Die Decke stellet die Themidem oder die Göttin der Gerechtigkeit, die Minervam, und andere Götter, Göttinnen und Musen vor, welche das Römische Kayserl. Königl. Spanische, Böhmische, Ungarische etc. Wappen halten. Der Crantz um dieselbe herum zwischen den 4. Wänden und der Decke ist von schöner erhabener Structur-Arbeit in besondere oval-rundte Felder abgetheilet, worinnen sich allemahl 2. Römische Bruststücke der Römischen Kayser nach ihrer Ordnung befinden, davon immer 2. und 2. einander die Gesichter zukehren. Zwischen 2. solchen Römischen Köpffen ist allemahl ein Unterscheid von Laubwerck. Dieser Crantz ist durchgängig massiv verguldet, und soll die blosse Verguldung in diesem Zimmer über etliche 1000. Gulden, nach dem Bericht des dasigen Mahlers, Herrn Geibels, der solche Arbeit verfertiget, gekostet haben. Lincker Hand sind noch etliche Felder leer, um der folgenden Kayser Brust-Bilder denselben gleichfalls einzuverleiben. Auf dem nur gedachten grossen Raths-Saale erblicket man, wie bereits erwehnet, die Bildnisse aller Römischen Kayser in ihrer Ordnung, wie sie auf einander gefolget. Hierbey ist merckwürdig, daß der vor einigen Jahren verstorbene Kayser aus dem Hause Oesterreich Carl VI. den Schluß darunter machte, und also kein Platz mehr übrig ist, wo etwan die künfftigen Kayser könnten hingemahlet werden. In der Raths-Stube befindet sich ein höltzerner Krachstein, welcher so künstlich gemacht ist, daß auch ein Mauer-Meister den Unterscheid kaum erkennen kan. In diesem Römer, und zwar in dem Stadt-Archiv wird das Original der berühmten güldenen Bulle verwahrlich aufgehoben. Es ist dieselbe nichts anders als ein Pergamenten-Buch von 43. Blättern, in Quarto, nicht aber von 24. Blättern, wie sie der Cardinal Pileus, ehemahliger Bothschaffter Pabsts Urbani VI. beschreibet, und Freher (d) aus ihm anführet. Denen nachmahls Dan. Otto (e), ingleichen Mission (f) in ihrem Irrthum nachfolget. Diese güldene Bulle ist unten etwan 2. Finger breit, vom Ende mit 24. gelben seidenen Fäden zusammen gehefftet, und mit einem andern groben pergamentenen Umschlag, ohn alle Zierrathen bedeckt und darein gebunden. Sie wird in einem Schildkrötenen und mit Perlenmutter eingelegten Lädgen verwahret. Sie enthält die Fundamental-Gesetze des Römischen Reiches, und der bey der Kayser-Wahl zu beobachtenden Umständen in lateinischer Sprache in sich, und ist mit alter Mönchs-Schrifft und ietzo ungewöhnlichen Abbreviaturen geschrieben. Merckwürdig ist

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1817–1818. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1817.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)