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Pölnitzens Bericht, im geringsten nicht mit einer so wichtigen Handlung übereinkommt. Obgleich zu dieser Kirche Carolus M. laut einigen Nachrichten, den ersten Grund mag geleget haben, so sind jedoch dessen Hauptstiffter, nach Inhalt des annoch in Original vorhandenen Fundations-Briefes, vom Jahre 882. (b) der Römische König Ludwig der Fromme, und dessen Sohn Kayser Carl der Fette gewesen. Diese Stiftung geschahe anfänglich zur Ehre unsers Heylandes, welchen Nahmen auch die Stiffts-Kirche so lange führte, bis sie nachmahls im Jahr 1238, wegen der dahin gebrachten und dem Stiffte verehrten Hirnschale des heiligen Apostels Bartholomaei den Nahmen des Bartholomaei-Stiffts annahm, und selbigen nach der Zeit bis ietzo behalten hat. Es hat dieselbe ihren Probst, nebst 12. Canonicis oder Chorherren und andern Geistlichen mehr. In der Sacristey, so ziemlich enge und klein ist, wird der Römische König oder Kayser von den Churfürsten erwehlet. Wie denn im Jahr 1711. in eben dieser Kirche Kayser Carl VI. gekrönet wurde, wobey sich damahls ein ungemeiner Zulauff von Printzen und grossen Herren ereignete. Einige nachdenkliche Leute machten bey selbiger Gelegenheit über zwey besondere Stücke, so von ihnen angemercket worden, ihre Prophezeihungen. Das erste bestund darinnen, daß der Kayser seinen Einzug in die Stadt in gröster Trauer um den verstorbenen Kayser Joseph, seinen Herrn Bruder, hielte, woraus man schloss, er werde der letzte Kayser aus seinem Hause seyn. Das zweyte war, daß, als derselbige aus der Dom-Kirche gieng, und die gewöhnlichen Kleinodien anhatte, das Schwerdt Kaysers Carls des Grossen aus der Scheide fiel. Ob nun gleich der Churfürst von Trier, aus dem Hause Lothringen, solches gewahr wurde, und das Schwerdt aufhielt, es auch wieder in die Scheide steckte, ehe es gar auf die Erde fiel, wurde doch solches von ermeldeten Propheten also ausgelegt, daß der Kayser niemahlen einen dauerhaften Frieden zu genüssen haben, sondern sich allemahl in solchen Umständen befinden würde, darinnen er sich, zu seiner Beschützung den Degen zu ziehen, gemüßiget sähe. In erwehnten Dom ist zu betrachten die grosse Orgel und die künstliche Uhr mit dem ewigen Calender und Astrolabio, welche von den Fremden, als etwas besonders, in Augenschein genommen wird. Sie ist im Jahr 1470. verfertiget worden. Dabey stehet der Pfarrthurn, als der höchste Thurn in der gantzen Stadt, worzu im Jahr 1414. der erste Grundstein geleget worden, wie solches inwendig an der Mauer mit sehr alten und kaum noch leserlichen Buchstaben, gegen der Kirche über, folgender massen angeschrieben stehet:

Anno Domini MCCCCXIIII. auf St. Bonifacius Tag
Ist der erste Stein dieses Thurms gelegt – – – –

Das übrige jst Alterthums wegen gantz verblichen. Inzwischen hat man bey nahe 100. Jahr daran gebauet. Wie er denn erst im Jahr 1511. in die Verfassung, worinnen er ietzo zu sehen, gebracht war. Gleichwohl siehet jedermann, daß er nicht so hoch gebauet ist, als er vielleicht hat werden sollen, indem er noch keine Spitze hat. Die grosse Schlage-Glocke in diesem Thurm, so im Jahre 1484. gegossen worden, hat am Gewichte 91. Centner und 5. Pfund, darauf stehet diese Schrifft:

O BEATA ET BENEDICTA TRINITAS! LIBERA
NOS, SALVA NOS, JUSTIFICA NOS.
Des Raths bin ich, Martin Möner geuß mich.

Die Sturm-Glocke ist etwas kleiner, hat aber keine Schrifft. Sonst hangen auch noch verschiedene andere grosse Glocken darinnen. Unter den dasigen Stadt-Glocken befinden sich des Stiffts seine 6, davon die gröste die Carolus-Glocke heist, und 63. Centner wiegt. Daran stehet St. Carolus und St. Bartholomaeus, und über jeden ein Crucifix, nebst der Umschrifft: O! beata & benedicta Trinitas, aequalis una Deitas ante omnia secula, nos salva & nunc & in perpetuum! 1440. Die Fest-Glocke wiegt 31. Centner. An dieser stehet des heil. Bartholomäi Bildniß mit dieser Umschrifft: Libera nos, Salva nos, justifica nos, o beata Trinitas! An der Salve-Glocke stehen an vier Orten die 4. Evangelisten mit eben der Beyschrifft. Sie wiegt 15. Centner. Oben auf diesem Pfarrthurn hänget an statt der Spitze oder des Knopfes eine kleine Glocke, die am Gewichte 4. Centner hat. Sie wird das Gimperlein, oder auch das Lermen-Glöckgen genennet. Der gemeinen Sage nach soll es von Silber, und zu dem Ende hinauf gehencket worden seyn, um die Ankunfft eines Feindes damit kund zu machen; doch wird es nicht gebraucht, und ist nicht einmal ein Strang daran. Der Thürner auf dieser Pfarr- oder Domkirche ist Lutherisch, und der Thurm nebst einem Theil der Glocken gehöret gleichfalls den Evangelischen. Das darauf befindliche Raths-Glöckgen, so über der Zeiger-Uhr nach dem so genannten Pfarreisen, worüber bey Straffe der Pfändung kein Jude gehen darff, und gegen die Kannen-Giesser-Gasse zu, in der Ecke auf dem Creutz der Kirche stehet, wird alle Dienstage und Donnerstage, als an den gewöhnlichen Rathstägen, im Winter von halb 8. bis 8. Uhr, und im Sommer von halb 7. bis 7. Uhr, unten in der Kirche der Cantzel gegen über, von einem Evangelischen Glöckner, wenn auch gleich der Catholische Geistliche auf der Cantzel stehet und prediget, oder Messe gehalten wird, geläutet. 2) Haben die Catholicken das Kayserliche Collgial-Stifft zu S. Leonhard inne, so ehedessen zu St. Marci und St. Georgii geheissen, und seinen Anfang unter Kayser Friedrich II. genommen hat. Es änderte aber seinen Nahmen, als des Abtes Leonhards ansehnliche Reliquien von Vienne aus Franckreich dahin überbracht wurden. Es ist ein altes schlechtes Gebäude, und hat 2. sehr alte Thürne. Das merckwürdigste in dieser Kirche ist ein gleich beym Eintritt zur lincken Hand in einer Capelle hangendes künstliches steinernes Gewölbe, welches von denen dahin reisenden Mäurern als ein sonderbahres Kunst-Stück, mit vieler Aufmercksamkeit betrachtet wird. 3) Das Collegiat-Stifft zu Unserer Lieben Frauen auf dem Berge, und 4) die Johanniter-Kirche. An Klöstern nebst den dazu gehörigen Kirchen, findet man allda ein Carmeliter- ein Dominicaner-Mönchs- und Frauen- wie auch ein Capuciner-Kloster. Diese letzten wurden zwar im Jahre 1633, weil sie sich 8. Jahr vorhero wider der Obrigkeit Willen in Franckfurt eingedrungen hatten, zur Stadt hinaus, und in einem Schiffe nach Mayntz geführet, es haben sich aber dieselben doch im Jahre 1723. wiederum eingefunden, den Antoniter-Herren ihre im Jahre 1719. abgebrannte Kirche abgekaufft, und sich auf deren Stelle ein überaus schönes Kloster und Kirche erbauet. Ob nun schon die Catholicken alle diese Kirchen nebst der Capelle zu St. Michaelis in Franckfurt besitzen, so wird doch das Hochwürdige von ihnen insgeheim über die Gasse getragen,sie dürffen auch sonst keine Procession durch die Stadt halten. Die daselbst wohnhafften Reformirten machen zwar eine ziemliche Gemeine aus, dennoch haben sie, seit dem ihre Kirche vor dem Bockenheimer Thore abgebrannt ist, in der Stadt keine freye Religions-Ubung, sondern sie müssen ihren Gottesdienst zu Bockenheim, auf einem, eine kleine halbe Meile gelegenen Hanauischen Dorffe, verrichten. Indessen lassen sie doch ihre neu angehende Ehe-Leute von den Lutherischen Pfarrherren in der Barfüsser-Kirche zusammen geben; auch werden ihre Kinder in besagter Kirche, oder in ihren Häusern von selbigen Geistlichen getauffet. Endlich giebt es eine gewaltige Menge Juden daselbst, welche eine besondere Gasse, und in solcher eine schöne Synagoge oder Schule inne haben. Diese Juden-Gasse ist mit einer Mauer umgeben. Sie kan vermittelst dreyer Thore verschlossen werden, und liegt an einem Ende der Stadt. Sonst genüssen die Juden daselbst vieler Freyheiten, und haben aus ihren eigenen Mitteln gewisse Beamte, welche von der Obrigkeit über sie gesetzt sind, und Bau-Meister genennet werden. Doch dürffen sie unter sich selbst, vermöge des Freyheits-Briefs vom Jahr 1366, den ihnen Kayser Carl IV. ertheilet hat, keine Gesetze machen, noch Gerichte anstellen, und solten Krafft der Veranstaltung des Cardinals Nicolai vom Jahre 1452. als Feinde des Creutzes Christi, gelbe Ringe und blaulichte grosse Krägen, ihre Weiber aber blau gestärckte Schleyer

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1815–1816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1815.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)