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Nicht weniger wird sie von den alten Historienschreibern Villa Regia, oder ein Königliches Dorff oder Stadt genennet: Nicht allein deswegen, weil sich viele Römische Kayser und Könige darinnen vielfältig eingefunden, und daselbst Hof, auch offtmahls grosse Versammlungen gehalten, dasselbe anbey mit vielen Kayserlichen und Königlichen Freyheiten begnadiget haben; sondern auch, weil Kayser Ludewig der Fromme, der diese Stadt sehr offt besuchet, einen besondern Pallast, der ietzo der Salhof genennet wird, allda erbauen lassen, und sie zur Königlichen Hofstadt im Franckenland gemacht hat. Ihren Nahmen Franckfurt hat sie allererst, wie einige zu behaupten suchen, unter Carolo M. bekommen, als derselbe mit seinen Francken auf einer Seite des Mayns, und die rebellischen Sachsen auf der andern lagen; er aber in dieser Gegend eine Fuhrt durch das Wasser fand, vermittelst derselben nebst seinen Francken die Sachsen ohnversehens überfiel, und über dieselben einen herrlichen Sieg erhielt. Aus dieser Ursache wurde diese Stadt vor Alters, wegen dieser der alten Francken An- und Ueberfuhrt Francken-Furth oder Francken-Anfahrt, wie auch Francofordia und ad Franckonefort genennet. Noch heutiges Tages wird der dasige Ort, wo man über den Mayn fährt, von dieser Anfuhrt der Francken Fuhrt genannt. Nicht weniger soll das Fahr-Thor noch daher seinen Nahmen haben. Die gegen über und jenseit des Mayns gelegene kleinere Stadt heisset Sachsenhausen, und soll anfangs nur eine Schantze gewesen seyn, welche die Sachsen zu Zeiten Kaysers Caroli M. zu ihrer Vertheidigung aufgeworffen, und der Sachsen Haus, oder da wollen wir Sachsen hausen, genennet haben. Denn sie hatten sich vorgenommen, allda zu verbleiben, und gleichsam zu hausen. Von diesem Lager der Sachsen und ihrer gedachten nachherigen grossen Niederlage durch offterwehnten Carolum M. ist endlich dem Ort der Nahme bis auf unsere Zeiten geblieben. Nachdem nun ermeldeter Kayser solche Schantze dem Könige Wittekind abgenommen hatte, wurde dieser Ort bald hernach mit Häusern, Mauern und Gräben versehen. Dieser Meynung widerspricht Winckelmann (a), und schreibt daher, es sey erweißlich, daß Kayser Carl ein wohl verwahrtes Haus gegen Franckfurt über, jenseit des Mayns erbauet, und viele edle Sachsen und Westphälinger zu besserer Verwahrung hinein gethan habe, wovon der Ort Sachsen-Haus genennet worden. Folglich hat dieses Sachsenhausen mit Franckfurt und vielen andern Städten mehr, wegen Ungewißheit seines Ursprungs, gleiches Schicksal. Bekannt ist es, daß es mit zu Franckfurt gehöret, und vermittelst einer starcken steinernen Brücke,so über den Mayn gehet, an dieselbe angehencket, und mit ihr als eine Stadt betrachtet werde, einerley Privilegia genieße, auch unter einerley Obrigkeit stehe. Schertzweise füget man im Sprichwort: In Sachsenhausen giebt man keine Schatzung, dieses ist aber nicht so zu verstehen, als ob die Einwohner zu Sachsenhausen gar keine Schatzung geben, sondern es ist nur dahin zu deuten, daß sie ihre Schatzung nicht in Sachsenhausen entrichten dürffen, sondern selbige herüber nach Franckfurt auf den Römer bringen, und allda ihrer ordentlichen Obrigkeit erlegen müssen. Beydes, so wohl Franckfurt als Sachsenhausen ist befestiget, und zwar dieses auf alte, jenes aber auf die heutige Art. Die dasigen Befestigungs-Wercke, so in 11. Haupt-Bollwercken bestehen, sind ziemlich, der Graben breit und voll Wasser, und alle Bollwercke haben eine Contre-Mine, welche an der gantzen Länge des Grabens hingehet. Die Contrescarpe wird deswegen getadelt, daß sie nicht mit Ziegelsteinen ausgemauert ist. Die über den Mayn nach Sachsenhausen angelegte starcke und steinerne, ietzt etwas baufällige Brücke ist 400. Schuhe lang, und hat 14. Schwibbögen; doch pflegen die schwer beladenen und grossen Schiffe nur durch den so genannten Creutzbogen zu passiren, weil der Fluß unter selbigem am tieffsten ist. Dieser Bogen ist ohnlängst wegen seines schwachen Grundes gespriesset, und mit Holtz überleget worden, weswegen auch keine schwerere als nur mit funffzig Centnern beladene Güter-Wagen darüber fahren dürfen; wollen aber dieselben mehr laden, so muß solches in Sachsenhausen geschehen. Es hat diese Brücke die Freyheit, daß keiner den andern darauf schlagen darff, und wo jemand den andern blutig schlüge, ob es auch gleich nur mit der Faust geschähe, so hat der Thäter die Hand verwürcket. Zu Urkund dessen stehet an der rechten Seite des Thurms nach der Brücke zu, wenn man nach Sachsenhausen gehet, eine Hand abgemahlet, durch welche ein Beil gehet, mit dieser Ueberschrifft:

Wer dieser Brücken Freyheit bricht,
Dem wird sein Frevel-Hand gericht.

Es ist aber beydes das Gemählde als auch die Schrifft anjetzo gar unkenntbar, und nicht mehr zu lesen. Zu Unterhaltung dieser Brücke wieß der Römische König Heinrich VII. der Stadt, durch ein ausdrückliches im Jahre 1235. dieser wegen ertheiltes Privilegium, die Hälffte der Kayserlichen Einkünffte aus der Stadt an, und gab so gleich die Freyheit, so viel Holtz in den Wäldern zu fällen, als darzu erfordert würde. Eine gleiche Erlaubniß ertheilte dieser Stadt Carl IV. im Jahre 1376. und wieß hierzu die Steinrütschen Ellern und Büsche zwischen dem Buchwald vor Sachsenhausen an. Diese Verordnung confirmirte der Pabst Bonifacius IX. das Jahr darauf. Im übrigen werden in dieser Stadt alle drey im Römischen Reiche geduldete Religionen gelitten; und ob wohl der Rath nebst dem größten Theile der Bürgerschafft der Augspurgischen Confession zugethan ist, so besitzen doch die Catholischen dem ohngeachtet die gröste Kirche oder den Dom. Den Lutheranern hingegen gehöret 1) die Barfüsser Kirche, ein ziemlich grosses und mäßiges Gebäude, so mit einem niedrigen Glocken-Thurn versehen ist. Diese stellet die Haupt- und Pfarr-Kirche vor, worinnen alle Kinder getauffet, und die ehelichen Einseegnungen verrichtet werden. Sie ist im Jahre 1738. renoviret worden, und hat eine schöne Cantzel, und eine gantz neu erbauete prächtige Orgel. Nahe dabey stehet das [1], ein altfränckisches Gebäude, und die in 7. Classen abgetheilete lateinische Schule. Im Jahre 1626. hat der dasige Rath die im Jahre 1607. ergangene Verordnungen und Statuten wieder erneuern, und im Jahre 1685 einen Thurm mit einem Geläute von 3. Glocken auf die Kirche setzen lassen. 2) Die St. Catharinen-Kirche. Diese ist im Jahr 1678. abgebrochen, und gantz neu, grösser und schöner, nebst einem ansehnlichen und zierlichen Thurn wieder aufgebauet worden. Sie hat keinen Pfeiler, jedoch eine schöne marmorne Cantzel, und eben dergleichen Altar etc. Das Gewölbe ist oben gantz bemahlet, und soll dieser Schönheit wegen in Deutschland gar wenig ihres gleichen haben. Im Jahre 1681. den Sontag Invocavit wurde die erste Predigt darinnen gehalten. 3) Die St. Peters-Kirche, ein altes und kleines Gebäude, wobey sich der doppelte Peters-Kirch-Hof oder Gottes-Acker befindet. 4) Die Hospital-Kirche, wobey der Spital zum Heiligen Geist stehet. Es werden in diesem Hospital alle arme Krancke, mit einer so vortrefflichen Ordnung verpfleget, daß diejenigen, so wieder genesen, und man sie darüber besprochen hat, solche nicht genug zu rühmen wissen. Sie ist im Jahre 1280. gestifftet worden. 5) Die St. Nicolai-Kirche, diese ist gar klein, hat einen alten Thurn, und ist erst im Jahr 1721, nachdem sie einige Zeit nicht gebrauchet worden, und inzwischen statt eines Gewölbes gedienet hat, erneuert, und zur Garnisons Kirche gemacht worden. Ausser diesen Kirchen wird auch im Armen-Hauße geprediget. Die ehemahlige Allerheiligen-Kirche liegt zur Zeit noch wüste, doch soll sie dem Vernehmen nach auch wieder aufgebauet werden, massen die Collecten dazu schon vor einiger Zeit sind eingesammlet worden. Ferner ist auch noch die Weißfrauen-Kirche, worinnen für die Niederländische Lutherische Gemeinde frantzösisch geprediget wird. In Sachsenhausen stehet die drey Königs-Kirche. Es giebt auch 2. Lutherische Frauen-Klöster in Franckfurt, als das zu S. Catharinae, und das zu den weissen Frauen. In dem ersten werden solche Weibes-Personen unterhalten, deren Eltern oder Männer sich um diese Stadt wohl verdient gemacht haben. Die Catholischen besitzen an dasigen Kirchen 1) den Dom, oder das Kayserliche Wahl- und Crönungsstifft zu St. Bartholomäi. Es ist dieses ein kleines und nicht gar helles Gebäude, so nach

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1813–1814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1813.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)
  1. Gymnasium