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Fristen zur Beschaffung von mechanischen Copieen zu Gebote stehen, wird fast durchgehends auf sie verzichten müssen.

II.
DIE PHOTOGRAPHIE.

Das heutzutage beliebteste und am weitesten verbreitete Mittel mechanisch hergestellter Abbildungen für jede Art von Gegenständen ist bekanntlich die Photographie. Für Inschriften ist dieselbe jedoch nicht in allen Fällen geeignet. Handelt es sich darum die äußere Erscheinung eines inschriftlichen Denkmals, architektonische oder plastische Ornamente desselben und ihren Stil, den ganzen Umfang einer größeren Urkunde auf kleinem Raum, und Aehnliches, zur Anschauung zu bringen, so leistet die Photographie auch der Epigraphik unverächtliche Dienste. Für die eigentlich epigraphische Interpretation aber, Lesung und Deutung der Schrift und schwieriger Einzelnheiten derselben, besonders bei mangelhafter Erhaltung, versagt die photographische Reproduction oft ganz (z. B. bei dunkelen Bronzetafeln) oder, was schlimmer ist, sie täuscht sogar, weil wirkliche Eindrücke der Schrift im Lichtbild häufig gar nicht zu unterscheiden sind von zufälligen Verschiedenheiten der Färbung, wie sie die Oberfläche der Stein- oder Erztafeln zu zeigen pflegt. Für auf sehr ausgedehnte Räume vertheilte Inschriften von guter Erhaltung auf großen architektonischen Werken ist die Photographie nützlich, besonders da sie unter die Loupe gebracht und auf mechanischem Wege vergrößert werden kann. Freilich ist sie auch den perspectivischen Verschiebungen aller photographischen Aufnahmen unterworfen und bedarf desshalb häufig für den Zweck der Reproduction einer Correctur durch den Zeichner. Für die großen Inschriften der stadtrömischen und ähnlicher Baudenkmäler, wie der Brücke von Alcántara in Spanien, reicht die Photographie allein nicht aus, bietet aber, da selbst mit bewaffnetem Auge oft nicht alle Theile hoch angebrachter Schrift von mäßiger Größe zu erkennen und hohe Gerüste selten zu beschaffen sind, die einzig erreichbare mechanische Grundlage der Abschrift. Was die Photographie zu leisten vermag, ist eigentlich nur die genaue Wiedergabe des palaeographischen Charakters der Schrift im Allgemeinen, während die Tiefe und die Art des Schnittes der Buchstaben meist aus ihr nicht gehörig erhellen oder durch falsche Lichtwirkung entstellt werden.

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Emil Hübner: Über mechanische Copieen von Inschriften. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1881, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:H%C3%BCbner_%C3%9Cber_mechanische_Copieen_von_Inschriften.djvu/08&oldid=- (Version vom 18.1.2019)