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wieder einigermaßen beruhigt hatte, so daß ich gegen 3 Uhr in der Frühe ermattet auf die Pritsche sank, um sofort in einen tiefen Schlaf zu verfallen.

Nicht lange indes war dem geistig Gehetzten und Gefolterten der so notwendige Schlaf vergönnt. Ein Poltern und Laufen, Riegelziehen und Schlüsselrasseln riß ihn jählings aus dem Schlummer. An den noch müden Augenlidern, die sich kaum öffneten, fühlte er, daß er nicht lange, nicht genügend geschlafen. Erschreckt und verwirrt zugleich, sprang ich auf. Mein Erligheimer, der schon wach war, fragte verwundert: „no, was habetse denn?“

„Was ist denn das für ein Spektakel, für ein Gepolter, wieviel Uhr ist es denn?“ fragte ich dagegen statt ihm zu antworten.

„Noch net lang hats fünfe gschlaga un jetzt werdet die Honighäfa gleert un nochher werd abserviert, do kommt der Spektakel her,“ belehrte er mich.

„Sie habet aber guet gschlofa, i wach schun aweile un haban zugukt.“

Als ich ihm dann auseinandersetzte, wie sich die Sache in Wirklichkeit abgespielt, meinte er gutherzig: „Wissetse was, legetse sich an mein Platz, do liegetse näher am Fenster un könnet vielleicht besser schlofa, i bin jetzt die Gschicht scho gwöhnt, mir machts nex me aus wo i lieg.“ Hievon war er nicht abzubringen und dankend nahm ich denn auch an.

Nicht lange darnach wurde auch unsere innere Türe geöffnet und Vize-Cerberus, der Christian hieß, erschien, wie jeden Morgen um abzuservieren, nachdem er uns einen guten Morgen gewünscht.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)