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lauschte also den Rednern, von denen der eine genau ebenso glänzend sprach wie der andere, — das russische Volk ist ja, zu seinem Unglück, ein Rednervolk von Beelzebubs Gnaden. Man jubelte allen Rednern zu, die das Wort „Freiheit“ recht häufig aussprachen, gegen die Vorgesetzten und Bourgeois wetterten und die Menschenrechte des Soldaten betonten.

Im übrigen vernichtete man die alten ruhmreichen Feldzeichen und setzte an ihre Stelle rote Fahnen mit zumeist unorthographischen Inschriften hochdemokratischen Charakters. Von den Mützen verschwanden die kaiserlichen Kokarden, man übertünchte sie mit roter Farbe. Die Armee durchlebte eine Orgie in Rot. Rot waren nicht nur die Feldzeichen und Kokarden, sondern auch die Knöpfe und Achselstücke, und zum Überflüsse trug noch jeder Soldat und fast jeder Offizier eine flatternde rote Bandschleife. Der Rotkoller der Zivilisten fand seinen prägnantesten Ausdruck darin, daß der Roland vor dem Rathause über Nacht rot angestrichen wurde.

Es ging also auch unter dem republikanischen Regiment, wenn nicht glänzend, so doch um so geräuschvoller zu.

Am meisten Geld ließen aber die Soldaten der glorreichen revolutionären Armee in den von ihnen in der freien Gottesnatur etablierten Kartenklubs draufgehen. In diesen Klubs, die in den öffentlichen Parks florierten, wurde das Hasardspiel ununterbrochen Tag und Nacht betrieben. Man spielte auf ausgebreiteten Mänteln im Schatten der Bäume oder in Zelten. In den Banken, die aufgelegt wurden, befanden sich oft viele tausend Rubel, und einzelne Spieler gewannen und verloren in einer Nacht oder an einem Tage wiederum Tausende. Freilich ging es in diesen eigenartigen von der Revolution geborenen Klubs nicht immer glatt ab, — nur zu häufig entstanden Meinungsverschiedenheiten, die entweder mit der Faust oder mit der Waffe in der Hand ausgetragen wurden. Nun muß aber gerechterweise

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)