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dahertrottenden, unglaublich schmutzigen und verräucherten „Borodatschi“, der allem Anscheine nach von dem Anblicke meiner Uhrkette magisch gefesselt wurde. Eine unheimliche Ahnung dämmerte in mir auf — ich beschleunigte meine Schritte, um aus der mir wirr entgegenströmenden Menschenflut zu gelangen und die freie Straßenseite zu gewinnen, aber das wollte mir nicht gelingen, die Menge drängte dicht gekeilt vorwärts. Ich faßte nun an einem der Alleebäume Posto und redete den nächsten vorübergehenden Soldaten, dessen gutmütige Neufundländeraugen Vertrauen einflößten, an, indem ich ihm eine Zigarre entgegenstreckte. Der Mann schaute die Zigarre mißtrauisch an, — eine Papiros wäre ihm gewiß willkommener gewesen, aber schließlich steckte er das Rauchkraut bis zur Hälfte in den Mund und setzte es in Brand. Während wir einige Worte über woher und wohin wechselten, wurde der Strom um uns dünner und ich konnte nun auf die andere Seite der Straße hinüber und mich seitwärts in die Büsche schlagen, d. h. den Weg durch die Anlagen wählen. Ich durfte erleichtert aufatmen, denn es schien mir wahrscheinlich, daß die Kerle mich ausgeraubt hätten, wenn ich noch länger in ihrer Mitte geblieben wäre.

Daß ich diesem Schicksale nicht entgangen wäre, davon konnte ich mich wenige Minuten später überzeugen. An der Ecke der Jakob- und Turmstraße hielten einige Kosaken; als ich wenige Schritte von ihnen entfernt war, sah ich die Leute sich beraten, dann waren sie plötzlich von ihren Pferden, ich sah ihre Säbel blitzen, hörte Glas splittern und im nächsten Augenblick waren sie in einem Laden für elektrisches Zubehör verschwunden, — sie hatten mit ihren Säbeln die Schaufenster zerschmettert und sich auf diese Weise Eingang in den Laden verschafft. Ein Mann, vielleicht ein Hausknecht oder ein Passant, der einige Worte an den bei den Pferden gebliebenen Mann richtete, stürzte von einem Säbelhieb getroffen schreiend zur Erde. Im

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/136&oldid=- (Version vom 1.8.2018)