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Freude erleben, stößt jedoch den Unverschämten zuletzt wieder in die anfängliche Armut zurück.[1]

Uralt ist der den meisten Fassungen eigne Zug, daß die Frau ihren Mann zu hohen Würden reizt, von der Eva und der etrurischen Tanaquil (Livius 1, 47) an bis zur Lady Macbeth. Von dem großen Kreise der unvernünftigen Wünsche (Benfey, Pantschatantra 1, 495. Bedier, Les fabliaux² S. 212. Unten nr. 87) scheidet unser Märchen der besondere Umstand, daß die Unersättlichkeit der Frau alle bisher empfangenen Glücksgaben nichtig macht und die frühere Dürftigkeit zurückführt. Auf andre Art wird der mit seinem Lose unzufriedene Steinhauer in einem sinnvollen japanischen Märchen,[2] das auch anderwärts bekannt ist und an die Stufenfolge der stärksten Dinge anknüpft, durch einen Berggeist belehrt; dieser erfüllt seinen Wunsch, reich und mächtig zu werden, und verwandelt ihn, da er Sonne, Wolke und Fels beneidet, auch in diese Naturwesen; als Fels aber sieht er einen Steinhauer, der eiserne Keile ins Gestein treibt und große Stücke losbricht, und begehrt wieder zu sein, was er war.


20. Das tapfere Schneiderlein. 1856 S. 29.

1812 nr. 20, II: von Hassenpflugs 10. Febr. 1812 (29 auf einen Streich. Schließt mit der Ausrede des durch den Kirschbaum in die Luft geschnellten Schneiders); 1819 nach einer andern hessischen Erzählung ergänzt. Die zweite Hälfte aber von da an, wo der Schneider den Riesen verläßt und sich an des Königs Hof begibt, ist aus dem ‘Wegkürtzer’ des Straßburgers Martin Montanus v. J.


  1. Tantalos durfte (nach Athenaeus 7, 281b. Welcker, Rhein. Museum 1856, 242) alles von Zeus begehren; als er es aber den Göttern gleichtun will und an ihrem Tische speisen, erblickt er einen Steinblock über seinem Haupte und vermag nichts von der Mahlzeit anzurühren (ähnlich das Schwert des Damokles: R. Köhler 2, 558. 565; unten nr. 39, 2).
  2. Brauns 1885 S. 87. Multatuli (Dekker), Erzählungen und Skizzen übersetzt von Raché S. 98. Vgl. R. Köhler 2, 54. Gereimt nach einem neapolitanischen Improvisator bei Marc Monnier 1880 p. 367 ‘Le tailleur de pierres’ (ruft San Gennaro an). Basset, Revue des trad. pop. 7, 398. Wesselski, Mönchslatein, Einl. S. 23, nr. 71. Verwandlungen des Unzufriedenen: Hertel, Tantrākhyāyika 1, 138. 2, 125. Dähnnardt, Natursagen 3, 337. 526 unten.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_148.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)