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einen Reiter auf einem schwarzen geflügelten Rosse. Aber auch der Ritter war in schwarzem Harnische. Nur die langen Schwungfedern seines Helms leuchteten feuerfarben über der mitternächtlichen Gestalt. Als der schauerliche Zug aber nun über den Raum schwebte, da Adelbert träumte, da schwang das Schwarzroß seine ungeheuern Fittige langsamer, und langsamer schwebte die Gestalt vorüber. Da gewahrte Adelbert, daß der schwarze Ritter vor sich auf dem Sattel mit dem einen Arme ein zartes Mägdlein umschlungen hielt, das ihm widerstrebend sich von ihm neigte. Als es aber über dem Frauenbild im Grabe vorüber schwebte, da neigte es sich tiefer über das Pferd hinab, und die Frauengestalt hob hoch die Arme empor, und rief: „Verlornes Kind! mein verlornes Kind!“ Aber die Erscheinung zog ganz über sie weg, und im Verschwinden hörte Adelbert noch das Mägdlein klagend rufen: „Meine Mutter! meine Mutter!“ Als sie aber vorüber waren, rang die Frauengestalt im Grabe die Hände über dem Haupte, und erhob ein klägliches Gewimmer, und rief mit jammernder Stimme nach Hilfe.

Aber Adelbert hatte in seinem Traume recht inniges Mitleid mit der holden Frauengestalt, und trat zu ihr, sie zu trösten. Und sie faßte ihn in ihre Arme, und nannte ihn ihren Sohn. Da wußte Adelbert, warum sie ihm so

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Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_096.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)