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darüber her und streuten ihr weißes Blümlein auf des Hügels moosigen Rasen.

Als er nun aber schaute nach einem der Gitterfenster des Thurms, da gewahrte er in der Mitte des Thurmes ein blasses, seltsames Licht, so das Innere desselben mit ungewissem Scheine erhellte. Aber die wundersamen Töne, die er zuvor von ferne gehört, klangen ihm nun ganz in der Nähe vom Thurme hernieder; und immer süßer, und immer linder, und immer bezaubernder ward das fremde Klingen, daß der Knabe bei sich dachte: „Hab ich doch, seit ich lebe, nie solche Töne gehört, und ich möcht’ wohl glauben, das sei Gesang von seligen Geistern, wie sie im Paradiese wohl singen, wie mich der fromme Großvater unten im Thale gelehrt.“

Indem er aber noch so dachte, da verstand er die Töne, als seien es Worte, die also klangen:

Ungesehn, ungesehn,
Geister wehn! Geister wehn
Durch des Thurmes Gitter.
Da erklang, da erklang
Geistersang, Geistersang
Von der schwarzen Zither.

„Ja, ja,“ sprach Adelbert vor sich, „das ist die schwarze Zither! das wußt’ ich wohl!“ Und der Klang schwebte einwiegend in sanften Schlummer herab:

Knabe mein, Knabe mein
Schlummre ein, schlummre ein!

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Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)