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Auch das Gesinde stand bereit, Abschied zu nehmen von dem Sohne des Hauses.

Viele der Leute wünschten ihm glückliche Reise mit ihrem Munde, aber nur wenige glückliche Heimkehr in ihrem Herzen.

Nur Einer ging mit dem Verbannten noch ein Stück des Weges mit, umfaßte ihn zärtlich und sprach ihm Mut zu. Das war seine Mutter! –

„Du bist nicht so ausgerüstet zu dieser Fahrt, mein Sohn, wie ich es wünschte und wie es für einen Mann von deiner Geburt sich auch geziemt.“

„Nein, Mutter, das bin ich nicht! – Ein Freigeborener trägt ein Schwert und ich habe keine Waffe!“

„Und du wirst ein Schwert in der Fremde brauchen! Mir ahnt das“, sprach die Mutter.

Mit diesen Worten zog Asdis unter ihrem Mantel hervor ein bis dahin verborgen gehaltenes, kurzes Schwert, eine Waffe von köstlicher Arbeit und reichte sie dem Sohne.

„Nimm hin dieses Schwert, mein Sohn. Es stammt von meinem Großvater väterlicherseits, von Joekul[1]. Er schwang es und vor ihm die übrigen Vatnsthalmänner. Allen brachte es Sieg! Nimm hin! Auch dir mag es von Nutzen sein!“ –

„Mutter“, rief Gretter, und umschlang Asdis unter Thränen, „Mutter, das ist ein köstlicheres Geschenk, als alle Schätze dieser Welt!“ –

„Gottes Schutz und Segen über dich, mein armes Kind!“ sagte die Mutter, ihn zärtlich an sich ziehend.

So schieden sie.

Gretter gürtete das Schwert um seine Hüften und stieg zu Pferde.

Bald lag die Heimat hinter ihm.

Ohne Aufenthalt ritt er über das Gebirge hin, bis er im Westlande bei Haflidens Hof ankam.

Der nahm ihn freundlich auf. Das Schiff lag schon segelfertig. –

„Wie groß sind deine Reisemittel?“ fragte Haflide.

„Ich habe keine“, antwortete Gretter bitter. „Du siehst, daß reiche Leute einen armen Schlucker aus dem Hause schickten. Ich habe nur diesen Friesmantel und dieses Schwert.“

„Das Schwert,“ sagte Haflide, und betrachtete aufmerksam die wertvolle Waffe, „ist besser als dein Mantel.“


Anmerkungen (Wikisource)

  1. isl. Jökull


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)