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Nun wandte sich Thorbjoern auch an ihn.

„Es ist schade um dich, mein Junge! Du bist so tapfer! Warum hast du dich an diesen Missethäter gekettet? Nun trifft dich auch das gleiche Los!“ –

Illuge antwortete: „Was ich verdiene, und was du heute hier verdient hast, Thorbjoern, das wird man erst erfahren, wenn der Althing im nächsten Sommer gesprochen hat. Weder du, noch die Hexe, deine Pflegemutter, sind Richter in dieser Sache! – Das aber steht schon heute fest, durch Zauberkünste habt ihr den Gretter getötet. Und die allerschimpflichste That habt ihr hier gethan, indem ihr einem sterbenden Manne noch Wunden schlugt!“ –

Thorbjoern antwortete ihm: „Deine rauhen Worte verbessern deine Sache nicht! – Doch will ich an dir zeigen, daß ich Tapferkeit zu achten weiß, und dir das Leben schenken; doch nur unter einer Bedingung. Schwöre mir, daß du an keinem der Teilnehmer dieses Kampfes jemals Rache üben willst!“ –

Illuge sagte: „Wäre Gretter imstande gewesen, sich zu verteidigen, und hättest du im ehrlichen Kampfe ihn besiegt, dann ließe sich darüber reden. Jetzt aber nicht! Um mein Leben zu retten, werde ich nie zugeben, daß Schande Ehre ist. Dann wäre ich ein ebenso ehrloser Schuft, wie du. Willst du eine Erklärung von mir haben, so nimm diese: Niemand wird jemals geneigter sein, auch künftig euch Schaden zuzufügen, als ich! Denn lange wird es dauern, bis ich vergessen kann, wie ihr hier meinen Bruder mißhandelt habt!“

Nach diesen Worten trat Thorbjoern mit den Übrigen bei Seite, um zu ratschlagen, ob Illuge am Leben bleiben dürfe, oder nicht?

„Uns kommt es nicht zu, darüber zu entscheiden,“ sagten die Knechte. „Du bist unser Anführer. Entscheide du in dieser Sache!“

Thorbjoern erklärte darauf:

„So will ich denn nicht, daß ein Mann am Leben bleibe, der das Versprechen mir weigert, künftig nicht nach meinem Leben zu trachten!“ –

Als Illuge hörte, daß sein Tod beschlossen sei, rief er heiter:

„Jetzt habt ihr den Beschluß gefaßt, der meinem Herzen der liebste ist. Ja, ich will zusammen mit meinem Bruder sterben!“ –

Als der Tag anbrach, führten sie Illuge nach dem Ostende der Insel, und enthaupteten ihn dort.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/269&oldid=- (Version vom 1.8.2018)