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und versuchte sich die Wunden zu lecken. Kurz nach Mittag machte sie dann kehrt und lief sammt der Herde nach dem Stall zurück. Gretter schloß den Stall, ging ins Feuerhaus und setzte sich ans Langfeuer. Er hatte seinen Zweck erreicht.

Der Vater Asmund sagte: „Wir werden in Kurzem einen Schneesturm haben, die Kingala ist heut auf Mittag schon zurückgekehrt!“

„Oft irren sich auch die Weisen!“ – antwortete Gretter.

Die Nacht verlief und der Schneesturm blieb aus.

Am andern Morgen trieb Gretter wieder die Pferde hinaus, aber wieder konnte Kingala mit ihrem wunden Rücken die Kälte nicht vertragen und kehrte auf Mittag, ohne gefressen zu haben, zurück.

Wieder sagte der Vater: „Es wird einen Schneesturm geben!“

Und wieder blieb der Schneesturm aus.

Nun schöpfte Asmund Verdacht und ging am dritten Morgen selbst in den Stall.

„Die Thiere sind nicht im guten Zustande,“ sagte er zu Gretter, „obwohl der Winter milde ist. Aber du, Kingala, bist gewiß wie immer rund und fett,“ und strich dem Thiere zärtlich über den Rücken.

Das Pferd zuckte bei dieser Berührung schmerzhaft zusammen und Asmund sah nun die Wunden.

„Was ist das? – Gretter! – Dein Werk? – Du böser Junge, du!“

Der Knabe antwortete mit einem hämischen Auflachen und flüchtete.

Asmund verließ zornig den Stall und ging in das Feuerhaus.

Die Hausfrau Asdis saß in der Mitte ihrer Mägde, mit Wollenarbeit beschäftigt.

„Ich hoffe, Gretter hat seine Sache gut gemacht,“ sagte sie zu dem eintretenden Herrn.

„Ja, so gut, daß ich die Kingala todtstechen muß! Das arme Tier! Der böse Bube hat ihr mit seinem Messer in den Rücken geschnitten, daß die Felllappen herunterhängen. Er hat seinen Zweck erreicht; denn mir hat er nun für lange Zeit die Lust genommen, ihm eine Arbeit zu geben.“

„Ich weiß nicht, was ich mehr beklagen soll,“ sagte Asdis, „daß du, Asmund, dem Knaben stets nur solche Arbeiten auflegst, welche seinen Widerspruch reizen, oder, daß er so ungefügig ist und alles schlecht ausrichtet.“

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)