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seinen Kasten, den er bis zum Rande füllte. Es war mehr als eine Pferdelast. Der Riese hob dann den vollen Kasten mühelos auf seine Schulter.

Grim hatte, hinter der Thüre lauernd, durch das Loch hindurch alle diese Bewegungen scharf beobachtet. Nun griff er nach seiner Streitaxt, stieß die Thüre auf, und sprang ins Freie.

Mit beiden Händen die Axt fassend, holte er aus, und traf mit wuchtigem Schlage des Riesen Hals, sodaß die Schneide des Beils tief in das Fleisch eindrang.

Der Verwundete machte eine rasche Wendung, und lief südwärts über die Berge hin, den schweren Kasten auf seinem Rücken.

Grim verfolgte ihn, denn er wollte wissen, ob die Wunde tötlich sei. So gelangten sie zum Balljoekull, wo der Verwundete in eine Höhle einbog.

Grim folgte nicht, sondern trat am Höhleneingange in den Schatten eines Felsens, von wo aus er, was im Inneren der, durch ein Feuer erleuchteten, Höhle, vor sich ging, leicht übersehen konnte. Er sah am Heerde ein Weib sitzen von starkem Gliederbau, aber mit nicht unschönen Gesichtszügen. Sie erhob sich, und ging dem verwundeten Manne, der mit dem Kasten auf dem Rücken eingetreten war, lebhaft entgegen.

Dieser warf die Last ab, und stöhnte laut auf.

Aus der breiten Halswunde, nach der er griff, quoll reichlich Blut hervor.

„Warum blutest du? – Vater!“ – fragte das Weib.

„Niemand poche auf seine Stärke! Mein Sterbetag ist gekommen! Rüste mir das letzte Lager, Kind! – Mut und Mannheit verlassen mich jetzt!“ –

„Sag an, was ist geschehen? – Vater!“ fragte das Weib, und geleitete den Wankenden, sorglich ihn stützend, nach seinem Bette.

Er streckte sich aus, und sie legte Tücher auf die Wunde, um das Blut zu stillen.

In Absätzen teilte er mit, was geschehen, und wie er zu dieser Wunde gekommen sei.

„Der Mann, der nach dir schlug,“ sagte die Tochter, „hat sein Werk vollauf gethan! – Die Wunde reicht bis auf den Knochen, und alle Adern sind durchschnitten. Man kann es ihm nicht verdenken, daß er seine Kraft gebraucht hat, denn du hast ihn schlecht behandelt!“ –

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/192&oldid=- (Version vom 1.8.2018)