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Gretter lächelte verschmitzt, und sprach nicht weiter über diese Sache.

Es war Spätherbst, und die Bauern holten ihre Schafe von der Alp in die Winterquartiere herab. Gretter lauerte solch einem Trupp auf, und griff vier Hammel, die er vor sich hertrieb. Sechs Bauern verfolgten ihn. Sie griffen nicht ihn selbst an, sondern sprangen nur um seine Beine herum, und versuchten es, das Vieh wieder von ihm abzudrängen.

Solcher Gestalt kam Gretter mit den Tieren nicht vorwärts. Das ärgerte ihn, er packte zwei der Bauern am Kragen, und warf sie den Abhang hinunter, sodaß sie ohnmächtig unten liegen blieben. Das benahm den vier andern die Lust, weiter um den Raub zu kämpfen.

Gretter griff nun die vier Hammel auf, hatte je zwei und zwei mit ihren Hörnern zusammen, warf sie paarweise über seine Schultern, und stieg so den Abhang zu seiner Höhle hinauf.

Gisle blieb auf dem Landungsplatz am Borgarfjord, bis die Ladung gelöscht, und sein Schiff für den Winter unter den Schuppen gestellt war. Tausend Dinge waren zu besorgen, und der Winter schon vor der Thüre, bevor der Aufbruch erfolgen konnte.

„Morgen reisen wir, Leute,“ sagte Gisle. „Ihr beiden,“ wandte er sich an seine Leibknechte, „werdet mich begleiten. Zieht eure Feierkleider an, damit der Waldgangsmann, dem ich zu begegnen hoffe, sieht, daß wir nicht Landstreicher und Bettler sind.“

So brach Gisle auf, stattlich und zuversichtlich, wie immer.

Als sie den Hitarfluß überschritten hatten, sagte Gisle zu seinen Begleitern: „Es ist mir erzählt worden, daß der Waldgangsmann dort oben zwischen den spitzen Felsen seinen Versteck hat. Meiner Treu! Da ist schwer hinaufzukommen. Aber ich hoffe, daß er zu uns herabkommen wird, um unsere Kostbarkeiten in der Nähe zu beschauen!“ –

„Ist er gescheit, so thut er’s,“ sagten lachend die Knechte.

Gretter war an diesem Morgen früh aufgestanden. Das Wetter war am Frost, und des Nachts war leichter Schnee gefallen. Er musterte, aus seiner Höhle heraustretend, den Fahrweg. Da sah er die drei Reiter von Süden herauf über den Hitarfluß kommen. Ihre Festkleider und blanken Schilde blitzten in der Morgensonne.

„Aha! ohne Zweifel der Gisle und seine Gesellen,“ sprach Gretter zu sich selbst, „wie immer aufgeputzt, wie zu einer Hochzeit. Die Bekanntschaft dieses eitlen Prahlers will ich doch heute machen!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)