Seite:Gretter der Starke.pdf/160

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es hatte das seinen guten Grund. Denn die Leute aus dem Hrutafjord, Thorbjoerns Anverwandte, hatten diesen Grim bestochen. Sie hatten ihm die Freiheit und viel Geld als Lohn zugesagt, wenn et den Gretter töten wollte.

„Ich glaube, Grim, dir wird es hier wenig gefallen“, sagte Gretter. „Außerdem fehlt mir die Lust, dich aufzunehmen; denn man kann sich auf euch Waldgangsmänner nicht verlassen!“ –

„Oh, auf mich kannst du dich ganz und gar verlassen!“ versicherte Grim.

„Ich bin ja nicht gern allein,“ sagte Gretter, „besonders an den langen und dunklen Abenden nicht. Wenn es sich einrichten ließe, daß ich einen treuen Mann fände, der zugleich bereit wäre, mir Dienste zu leisten, dann – – –“

„Ich verspreche dir treu zu sein, und willig alles thun, was nur vorkommt,“ beteuerte Grim.

„Unter diesem Beding magst du bleiben!“ – entschied Gretter, und nahm den Bittsteller in seine Hütte auf.

Es war mittlerweile Winter geworden. Grim hatte sich klug den Gewohnheiten Gretters angepaßt, und den Anschein eines zuverlässigen Kameraden sich gegeben. Er war gesprächig und griff zu, wo es galt! – Die Hütte reinigen, Fische fangen, Jagdtiere erlegen, Vogeleier suchen, Reisig sammeln, Feuer anzünden, sowie die einfachen Mahlzeiten für sie beide herrichten, das verdroß ihn nicht! –

Aber unter der Decke einer freundlichen Außenseite schmiedete Grim unaufhörlich an dem Plane, den Gretter zu überfallen, und zu töten.

Er wußte nur nicht, wie das anzufangen sei, ohne Gefahr für sein eigenes Leben.

Gretter war auch nicht ohne Verdacht! – Unwillkürlich wuchs seine Abneigung gegen den Zeltgenossen, und Tag und Nacht hielt er die Waffen in seiner Nähe. Wenn er schlief, hing sein kurzes Schwert, blank geschliffen, über seinem Kopf am Bettende.

Wachend den Gretter anzugreifen, dieser tollkühne Gedanke konnte dem Grim nicht kommen; aber im Schlaf, das ging an. Nur nicht des Nachts, wo die Augen den Dienst versagen, und die tastenden Hände das Ziel so leicht verfehlen.

Aber Gretter hatte die Gewohnheit, auch am Tage zuweilen zu schlafen. Diese Gelegenheit galt es abzupassen.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/160&oldid=- (Version vom 1.8.2018)