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hat. Ist es nicht der Klugheit gemäß, ihm alle Gelegenheit abzuschneiden, sich einen Zugang zu Ihrem Herzen zu verschaffen? Wie leicht könnten Sie nicht, durch einen so zärtlichen Brief, als Ihr Anbeter unfehlbar geschrieben hat, zum Mitleiden gegen ihn bewogen werden? Wenn eine Schöne nur erst einem schmachtenden Liebhaber ihr Mitleiden schenket, habe ich sagen hören, alsdenn hat er gewonnen Spiel. Der Herr v. N. hat auf das Ihrige die gerechtesten Ansprüche. Hat er nicht Ihrentwegen Wind und Wetter auf sich losstürmen lassen? Hat er nicht um Ihrentwillen Leib- und Lebensgefahr ausgestanden? Hat er nicht Ihnen zu Ehren sich tapfer bezeigt, und sind Sie nicht die einzige Ursache, daß er auf seinem Lager unter den Schmerzen seines podagrischen Fußes seufzet? Alle diese Umstände, wenn ihnen der reizende Liebesbrief noch einiges Gewichte gegeben hätte, würden ein so sanftes Herz als das Ihrige nothwendig erweichet haben. Untersuchen Sie ob ich die Absichten der Frau v. W. nicht tiefer eingesehen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 2. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1761, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_2.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)