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den ganzen Nachmittag in tiefen Gedanken gesessen, und immer etwas zwischen den Zähnen gemurmelt, welches ich für Beschwerungsformeln hielt. Gott bewahre! Wenn mein Bruder nicht in Schönthal ist: so weiß ich nicht was ich denken soll. Wir haben ihn mit keinem Auge gesehen, sagte meine erschrockne Schwester. Wo muß der Mann hin seyn? Umsonst wird er doch nicht in der Nacht sich auf den Weg gemacht haben? Es hätte nicht viel gefehlet, so hätten Tante Kunigunde und meine Schwester sich hingesetzt, und mit einander ein Stückgen geheulet. Mir war bei diesem unerwarteten Handel selbst nicht wohl. Der Baron lachte über unsere Bestürzung, und dieses brach unsrer Tante vollends das Herz. Sie ließ einige Thränen fallen, nicht so sehr über ihren Bruder, als vielmehr über ihrem Regenschirm, glaube ich, den Wigand, wie einen Himmel, über seinen Herrn bei seiner Abreise hatte tragen müssen, und dessen Verlust sie sehr beklagte. Sie sahe ziemlich finster dazu, daß mein Schwager bei so betrübten Umständen noch

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Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 1. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1760, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_1.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)