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Frauenmundes ihre Eigenart vollständig verleugnete. Der Abschied war ebenso herzlich. Margot vergoß Tränen und Fritz Norgard hatte alle Mühe sie zu beruhigen.

Und doch – wieviel Lug und Trug gab es in diesem erst so kurzen Verlöbnis, und wie sehr war dasselbe von Anfang an auf völliger Unwahrhaftigkeit aufgebaut! Margot hatte ihren Bräutigam gemäß der mit ihrem Vater getroffenen Abrede bis zum letzten Moment bei dem Glauben belassen, daß Thomas Bellersen nichts von den Absichten wußte, die seinen Kassierer um den dreimonatigen Urlaub bitten ließen, ebensowenig wie Norgard auch ahnte, daß sein Chef von der Verlobung etwas wußte. Aus diesen zwei Momenten heraus ergab sich allein schon eine solche Fülle von Unaufrichtigkeiten und groben Lügen, zu denen Margot durch diese Sachlage gezwungen wurde, daß das junge Mädchen jedes seiner Worte, jeden Satz sorgfältig abwägen mußte, um sich dem scharfsinnigen Norgard gegenüber nicht zu verraten. Und deshalb war sie zum Teil auch wieder froh, daß diese Zeit des steten Sichselbstüberwachens nun ein Ende hatte. –

Am schmerzlichsten empfand wohl Gerhard Sicharski die Abwesenheit seines wohlmeinenden Freundes, und dies umso mehr, als schon die Abreise der heimlich Geliebten in seinem Herzen eine traurige Leere zurückgelassen hatte. Um sich zu betäuben, vergrub Gerhard sich desto eifriger hinter seinen Büchern. Und doch schweiften seine Gedanken nur zu oft von der Arbeit ab und verirrten sich dorthin, wo jetzt die beiden Menschen weilten, an denen er – Mutter und Schwester vielleicht ausgenommen – am meisten hing.

Eines Morgens war’s. Da brachte ihm der Postbote zwei Briefe, einen mit dem Aufgabestempel New York, den anderen mit dem der sächsischen Residenz.

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)