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Darauf ging er wieder von ihr. Aber Notburga sank auf einen Stuhl, und verhüllte ihre Augen. Und als nun die Nacht kommen war, stand sie an ihrem Erkerfenster, und starrte in den dunkeln Nachthimmel, und die Thränen flossen ihr häufiger, als sonst.

„Mein Otto, mein Otto!“ sprach sie, „so hast du mich vergessen, hast vergessen deine treue Notburga, – vergessen in den Armen fremder Dirnen, und ist dein Herz kälter worden im Lande, wo die Sonne wärmer scheint? – Oder, fielst du unterm Schwertstreich der Feinde, und ruhst nun unter der braunen Erde, oder schläfst unterm grünen Rasen, die gelben Schlüsselblumen über deinem Herzen? – Ach, daß ich bei dir ruhen könnte in der Grabesstille! – Muß so einsam trauern in der Welt, schwanke nur noch, wie ein dünnes Rohr, das der Wind zu knicken droht, und meine Wangen sind erbleicht. – Und soll nun mit den bleichen

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/203&oldid=- (Version vom 1.8.2018)