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eine unübersehbare und unerforschliche Weltordnung gedrückt, gehemmt und beschränkt fühlt; so werden wir es sehr begreiflich finden, daß er sich auch dann und wann hinaus sehnt aus der Enge und Verwirrung dieses Lebens in eine Welt voll erkannten Zusammenhanges, wo alle billigen Wünsche erfüllt, jede Sehnsucht befriedigt, der Schmerz versöhnt, und die Thränen getrocknet werden. Da aber in der weiten Wirklichkeit eine solche Welt nicht vorgefunden wird, so ist es ebenfalls natürlich, daß der Mensch sie sich selbst auferbaut in Träumen, Wünschen, Hoffnungen und Ahndungen. Und so entsteht ihm dann jene wunderbare Welt der Dichtungen, wohin der Geist so gern sich flüchtet aus den kleinlichen und drückenden Verwicklungen des alltäglichen Lebens, und worin er nicht sowohl wirklichen Ersatz für den Druck des Lebens, als vielmehr nur ein tröstliches Bild und eine Bürgschaft finden will von einer zusammenhängenden, weisen und gerechten Ordnung der Dinge. Damit aber die solchergestalt erschaffene Welt nicht bloß als ein Reich phantastischer Gebilde erscheine, so knüpft er sie gern mit festen Banden an die Wirklichkeit fest. Bekannte Gegenden und Orte müssen den Hintergrund bilden,

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite XV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)