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gekommen ist, welcher denn nicht lange gesäumt und zu dem Emunis gegangen ist, um ihn in seiner Krankheit zu besuchen. Er hat freundlich mit ihm geredet und ihn nach dem Umstand seiner Krankheit gefragt. Worauf ihm Emunis mit schwacher Stimme geantwortet, wie ihm sein Freund geraten hat und wie ihr schon gelesen habt.

Allsobald sagt der König zu Emunis: »Getrost, mein lieber Sohn, es soll ihm in meinem ganzen Königreich nichts verweigert werden. Allsobald will ich seine Schwester zu ihm schicken, und wünsche, daß ihm ihr Gekochtes soll wohl anschlagen und schmecken, so daß er zu seiner Gesundheit und vorigen Kraft wieder kommen soll.«

Also nahm der König einen freundlichen Abschied von Emunis und schickt allsofort nach seiner Tochter, daß sie allsobald zu ihrem Bruder gehen sollte, ihm gute Speisen zu machen, vielleicht, daß er von ihr etwas essen möchte.

Die schöne Danila war willig, ihrem Vater gehorsamst zu folgen, und ging in das Haus von ihrem Bruder Emunis. Sie forderte von dem Gesinde, was nötig war, um eine gute Speise zu kochen. Wie nun Emunis merket, daß die Speisen bald fertig waren, hieß er jedermann aus seiner Kammer gehn. Als sich nun Emunis mit seiner Schwester allein befand, sagte er: »Meine liebe Schwester, bring mir die Speisen her auf mein Bett, daß ich sie aus deiner Hand essen kann, vielleicht werden sie mir besser schmecken.«

Als ihm nun die schöne Danila die Speisen brachte, greift er nach ihr und sagt zu ihr: »Meine liebe Schwester, du mußt bei mir liegen, oder ich muß sterben.« Worüber die Danila sehr erschrak und sprach: »Mein lieber Bruder, tut solche unerhörte Schalkheit nicht! Bittet den König um meinetwegen, ich weiß gewiß, daß er mich dir nicht versagen wird.« Aber all das Reden und Bitten wollten der Danila nicht helfen. Der Emunis zog sie zu sich und lag mit Gewalt bei ihr.

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_267.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)