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um das Meinige, und ich käme, Gott behüte, in die Schande, daß ich anderen Leuten – Juden oder Nichtjuden – zu kurz tun müßte, oder ich müßte in die Hände meiner Kinder fallen!

Aber das alles hat mir nicht geholfen, ich habe leider müssen in eines Mannes Hand fallen, daß ich gerade dieselbige Schande erlebt, vor der ich Sorge gehabt hatte! Obschon ich nichts dazu kann, so ist es doch mein Mann, mit dem ich dachte, in Wohlstand und Ehre zu leben.

Zudem befinde ich mich jetzt in einem solchen Zustand, daß ich nicht weiß, ob ich in meinem hohen Alter werde ein Nachtlager oder ein Stückchen Brot zu essen haben, und wovor ich mich gesorgt habe, daß ich meinen Kindern, Gott behüte, nicht sollte zu Teil werden, könnte mir jetzt zukommen. Ich habe gemeint, wenn ich einen Mann nehme, so einen tüchtigen Menschen und großen Geschäftsmann, meinen Kindern damit zu helfen und daß sie durch ihn in große Geschäfte kommen sollten.

Leider ist es gerade konträr geschehen. Denn mein Sohn Nathan ist um etliche Hundert gekommen, die ihm mein Mann noch schuldig ist und er ist halb durch die Hand von meinem Mann ruiniert worden. Seine Wechsel wären alle protestiert worden, wenn Gott – er sei gelobt – ihn nicht sichtbarlich bewahrt und ihm nicht geholfen hätte. Meiner Tochter Mirjam, der Waise, habe ich gemeint ganz wohl zu tun, daß sie nebbich von ihrem Geld zurücklegen kann, und ich hab sie gerade mit mir in das äußerste Verderben gesetzt, welches Gott – er sei gelobt und sein Name sei gelobt – gnädiglich abgewendet hat, wie weiter folgen wird.

Also, meine herzlieben Kinder, ist zu sehen, daß ich alles wohl überlegt und betrachtet habe und gemeint habe, daß alles wohlgetan sei, was zum ärgsten ausgeschlagen ist. Also kann ich mir leider nichts anderes denken, als daß an allem meine bitteren Sünden schuld sind. Drum, meine herzlieben, getreuen Kinder, was soll ich viel sagen oder schreiben? »Es gibt nichts Neues unter der Sonne.« Ich

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_263.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)