Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Also sind wir nach Hamburg gezogen, und ich habe meine liebe, fromme Tochter in Berlin gelassen, welche ich leider nimmermehr zu sehen bekommen habe. Ob unser beider betrübte Herzen uns solches haben schon ahnen lassen? Denn es ist nicht zu beschreiben, was meine liebe, fromme Tochter und ich zusammen aus Kummer getrieben haben. Es war eben als wenn es vor uns geschrieben wäre, daß wir uns nimmermehr wiedersehen sollten in dieser betrübten sündigen Welt. Also sind wir auf ewig voneinander geschieden.

Nun bin ich nach Hamburg gekommen und habe alle Post ziemlich vergnügliche Briefe von meiner Tochter gehabt. Wenn sie auch großen Kummer und Herzeleid von meinem Sohn Reb Löb gehabt hat, so hat sie mir doch als ein frommes, kluges Kind nichts davon erwähnen und mich nicht betrüben wollen, und es scheint, sie hat solch große Betrübnis und Kummer allein auf ihr frommes, liebes Herz gesetzt. Denn jeden Morgen, jeden Tag ist etwas Neues gewesen, so daß er sich leider nicht länger in Berlin hat halten können und von Berlin wieder weichen mußte. Er ist nach Altona gekommen in den Schutz des Präsidenten. Was ich für Kummer, Bedrängnis und Herzeleid darüber und von seinen Kreditoren eingenommen habe, soll eine Sühne für unsere Sünden sein. Nun, es hat mich Tag für Tag viel Geld gekostet. Mein Sohn ist zu tot krank geworden. Ich habe alle Tage zwei Aerzte von Hamburg nach Altona geschickt und seine Wärter und übrigen Bedürfnisse, was mich wieder viel Geld gekostet hat. Endlich ist er wieder besser geworden. Nachher ist meine brave Tochter Hendele – sie ruhe in Frieden – in Berlin krank geworden, welche Krankheit sie leider mit ihrem jungen Blut hat zahlen müssen, zu meinem und zu aller Menschen, die sie gekannt haben, großem Herzeleid. Ach, mein Gott, wie eine harte Strafe ist das gewesen! So ein lieber, wackerer junger Mensch, wie ein Tannenbaum, und alle Wohlkindigkeit und Frömmigkeit ist in ihr gewesen, so daß sie wohl zu unseren Stammmüttern hat eingehen mögen! Was alle Leute in ganz Berlin

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_215.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)