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Channa, von der Kammer heruntergelaufen, ganz erschrocken und kann nebbich vor großem Schrecken sich nicht regen. Das Gesinde fragt sie: »Channa, was fehlt dir? Warum siehst du so erschrocken aus?«

Sagt das Kind: »Ach Gott, ich bin aufgewacht und wollte sehen, ob die Mutter noch liegt. Da hab ich in ihrem Bett einen alten Mann mit einem großen Bart liegen sehen. Ich hab mich so sehr erschrocken und bin aus dem Bett gesprungen und die Treppe heruntergelaufen. Hab mich doch nach dem Bett umgesehen, da hat der alte Mann seinen Kopf aus dem Bett aufgehoben und hat sich als nach mir umgesehen.«

Ich komme aus dem Bethaus heim, da ist noch ein Gewisper und ein Geschwätz unter meinem Gesinde. Ich hab sie gefragt und wissen wollen, was los ist. Aber keiner hat was sagen wollen.

Zwei Tage danach ist mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – heimgekommen und ist kaum acht Tage zu Hause gewesen, da hat er Briefe bekommen, daß sein Vater, der fromme Reb Josef tot ist[1]. Nun, soll ich schreiben von den Klagen und dem Weinen, die mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – getan hat. Es ist nicht zu beschreiben.

Gleich nach den sieben Trauertagen hat er sich zehn Rabbiner gedungen und ein eigenes Zimmer in seinem Hause genommen, in dem man nur die Gebetversammlung gehalten hat, und Tag und Nacht nichts anderes darin getan hat als gelernt.

Mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – ist das ganze Jahr nicht außer Haus gekommen, und hat es als abgewartet, daß er kein Seelengebet versäumt hat. Zwölf Wochen nach dem Tode meines Schwiegervaters ist mein Schwager Reb Isaak – das Andenken des Gerechten gesegnet – in Wesel gewesen. Sein Sohn Reb Samuel hat dort Hochzeit gemacht. Also ist er auf das Grab seines


  1. 30. Jänner 1677.
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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)