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Also hat sich mein guter Bote Jakob und der Postbote hübsch in Langenhagen den ganzen Tag und ein gut Stück von der Nacht gesetzt zu saufen, wie weiter folgen wird. Ich habe von alledem nichts gewußt. Wir sind vor uns gefahren und ich hab mich alle Augenblick umgesehen nach meinem Jakob. Aber wer nicht gekommen, ist Jakob gewesen.

Also sind wir fortgefahren bis an eine Durchfahrt zwei Meilen von Hannover, wo man Maut geben muß.

Also sagt der Postillon, der die Post führt: »Hier muß man Maut geben.« Also hab ich Maut bezahlt und dem Postillon gesagt, er soll fortfahren, daß wir beizeiten in Herberge kommen. Denn es ist ein Wetter gewesen, daß man keinen Hund sollt hinausjagen. Es ist gegen Purimzeit gewesen; es hat so klein geregnet und geschneit untereinander. Und wie es vom Himmel auf uns gefallen, ist es gefroren.

Die Kinder haben nebbich große Not gelitten und ich selbst hab den Postillon noch einmal gebeten, er sollt doch fortfahren. Er sieht ja selber, was das für ein Wetter ist, daß wir da unterm bloßen Himmel so stehen müssen.

Also sagt der Postillon: »Ich darf hier nicht wegfahren, als bis der Postbote kommt. Der hat mir befohlen, ich soll hier so lang warten, bis daß er mit Jakob zu uns kommt.« Was hab ich tun sollen? Wir sind so noch zwei Stunden gesessen, bis der Mautner gekommen ist und Mitleid mit uns gehabt hat, uns vom Wagen hat steigen lassen und uns in seine warme Stube genommen hat, daß sich die Kinder nebbich wieder gewärmt haben. Nun, dort haben wir auch eine Stunde zugebracht. So sag ich zu dem Mautner: »Ich bitt dich, Herr, mach, daß der Postillon fährt und daß ich mit meinen kleinen Kindern vor Nacht in die Herberge komme. Denn der Herr sieht ja wohl, was das für ein Wetter ist, daß man bei Tag nicht fortkommen kann, wo soll man dann in der finsteren Nacht hin, wenn, Gott vor sei, in der Nacht der Wagen umschlagen sollt, so wär es ja eitel halsbrecherische Arbeit.«

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)