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über das Wasser, ich will in deinem Alter alles für dich tun, was du von mir verlangst.« Der alte Vogel wirft seinen Sohn auf diese Reden ins Meer, daß er versäuft und sagt: »So soll man es einem Lügner, der du bist, machen«.

Also fliegt der alte Vogel wieder hinüber und holt das andere Vögelchen. Wie sie mitten ins Meer kommen, redet der alte Vogel wieder zu dem Vögelchen, wie er mit dem ersten geredet hat. Das Vögelchen sagt ihm auch, alles Gute in der Welt zu tun, gleichwie das erste geredet hat. Aber der alte Vogel nimmt es auch, wirft es ins Meer hinein und sagt: »Du bist auch ein Lügner« und fliegt wieder an das Ufer zurück und holt das dritte Vögelchen. Wie er auch mit dem dritten Vögelchen mitten ins Meer kommt, sagt er auch zu ihm: »Mein Kind, sieh, wie ich mich mühe und wie ich mein Leben um deinetwegen wage. Wenn ich nun alt werde und mich nicht mehr rühren kann, wirst du mir auch Gutes tun und mich in meinem Alter ernähren, wie ich dir in deiner Jugend tue?« Also antwortete das junge Vögelchen seinem Vater: »Mein lieber Vater, es ist alles wahr, was du sagst, daß du große Not und Sorge für mich hast. Ich bin schuldig, solches wieder an dir abzugeben, wenn es möglich sein wird, aber gewiß kann ich es dir nicht sagen. Aber das will ich dir zusagen, wenn ich auch einmal werd Junge kriegen, so will ich bei meinen jungen Kindern tun, wie du bei mir tust«. Da sagt der Vater: »Du redest recht und bist auch klug, dich will ich leben lassen und dir über das Wasser helfen«.

Daraus sieht man, daß Gott den unvernünftigen Vögeln eingegeben hat, daß sie ihre Jungen erziehen, und sieht man auch, wie ein Unterschied ist, wie Eltern sich um ihre Kinder bemühen und sie mit großer Sorgfalt erziehen. Aber wenn die Kinder so viel Mühe und Sorgen von ihren Eltern haben sollten, wie bald sollten sie es müde werden.

Um nun wieder auf unseren Zweck zu kommen, daß wir Menschen einer den anderen lieben sollen, wie gesagt wird: »Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst«, welches zwar ein Hauptpunkt ist, aber wir finden in den heutigen

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)