Johann Philipp Glökler: Land und Leute Württembergs, Band 3 | |
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für Kinder, sondern für alle Stände und Altersklassen das Ruthenfest ein Freudenfest sei, das sich oft bis zum Schluß der Woche fortspinnt. Ja, wer an solchen Tagen in Ravensburg weilt, dem mag das bewegte und lustige Leben nicht wenig auffallen.
Worauf gründet sich aber die Feier dieses Festes? Der Ursprung desselben reicht sehr weit in die Vorzeit hinauf. Die am meisten verbreitetste Sage berichtet, es habe im 16. Jahrhundert eine pestartige Krankheit in Ravensburg gewüthet und sehr viele Einwohner, namentlich aber viele Kinder weggerafft. Nachdem man alle ärztliche und religiöse Mittel erschöpft gehabt habe, da haben die Kinder mit „Ruthen“ (Baumzweigen) in Händen unter Gebet eine Prozession durch die ganze Stadt gehalten und sehr bald sei dann die Seuche verschwunden. Zum Danke dafür habe der Rath beschlossen, jedes Jahr das Andenken an die Rettung der Stadt durch das Gebet der Kleinen durch ein Schuljugendfest zu feiern, Von den Zweigen, welche jene Kinder in den Händen trugen, habe das Fest dann seinen Namen bekommen.
Eine andere Sage, in den Hauptpunkten mit der eben erzählten übereinstimmend, leitet den Namen davon ab, daß diejenigen Personen, in deren Hause ein Angesteckter krank lag, „Ruthen“ (Zweige) in der Hand haben tragen müssen, wenn sie ausgegangen seien, um die Begegnenden zu warnen, ihnen nicht zu nahe zu kommen.
Die historischen Quellen sind hierüber leider sehr unvollkommen. Nur eine alte Ravensburger Kronik, die vom Jahr 1100 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das Merkwürdigste meldet, berichtet aus dem 16. Jahrhundert zwei
Johann Philipp Glökler: Land und Leute Württembergs, Band 3. Stuttgart: C. Cammerer, 1863, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gloekler_Land_und_Leute_Bd3.djvu/412&oldid=- (Version vom 1.8.2018)